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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
Autoren: Lev Grossman
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Deck war übrig. Der Ozean reflektierte den wolkenlosen Morgenhimmel und bildete eine endlose, rauchig-rosafarbene Ebene. Als die kochende Sonne am Horizont aufstieg, war sie riesig – man konnte ihre Corona um ihr unerträglich helles Gesicht züngeln sehen.
    Gegen Mittag liefen sie erneut auf Grund – die Vorderkante des Floßes grub sich knirschend in den Sandboden. Das war’s – die
Muntjak
würde nicht mehr weiterfahren. Sie hatte nichts mehr herzugeben.
    Doch inzwischen konnten sie erkennen, dass ihre Reise tatsächlich ein Ziel hatte. Eine flache, dunkle Linie zog sich in der Ferne quer über den ganzen Horizont. Wie weit sie entfernt war, konnte man unmöglich schätzen.
    »Sieht so aus, als müssten wir zu Fuß weiter«, stellte Quentin fest.
    Einer nach dem anderen schwangen sich Quentin, Eliot, Josh, Julia und Poppy ins Wasser. Es war kalt, aber flach, nicht einmal knietief.
    Sie waren bereits ein Stück unterwegs, als sie noch ein Platschen hinter sich hörten. Schramme war über die Reling geklettert; offenbar betrachtete er seine Aufgabe als Leibwächter noch nicht als erledigt. Auf dem Rücken trug er Abigail, das Faultier. Sie hatte ihre langen Arme wie einen Fellschal um seinen Hals geschlungen und ihre Klauen vor seiner Brust verschränkt.
    Die Einsamkeit der Szenerie war beispiellos. Nach einer Stunde war das Floß hinter ihnen nicht mehr zu sehen, und das einzige Geräusch stammte von ihren schlurfenden Schritten. Ab und zu näherten sich maullose Fische und stupsten harmlos gegen ihre Knöchel. Das dünne Wasser war einfacher zu durchschreiten, als normales Meerwasser es gewesen wäre, weil es weniger Widerstand bot. Julia spazierte über die Oberfläche, wie es sich für eine Halbgöttin gehörte. Niemand sagte etwas, nicht einmal Abigail, die sonst nie um Worte verlegen war. Der Ozean erstreckte sich glatt wie Glas bis zum Horizont.
    Die Sonne schien ihnen heiß auf den Scheitel. Nach einer Weile gab Quentin es auf, fortwährend auf den Horizont zu starren, und blickte nur noch hinunter auf seine vertrauten schwarzen Stiefel, die sich Schritt für Schritt fortbewegten. Jeder dieser Schritte brachte sie näher ans Ende der Geschichte. Sie würden die Gefahr abwenden. Zwar konnte immer noch etwas schiefgehen, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, was es hätte sein können. Dass sie vorankamen, erkannte Quentin am flacher werdenden Wasser. Es sank von den Waden hinunter zu den Knöcheln, bis es nur noch ein dünner Film unter ihren Sohlen war. Die Sonne stand tief am Himmel hinter ihnen. Weit zu ihrer Rechten war ein einziger Abendstern aufgegangen, dessen Zwilling unter ihm im Wasser schimmerte.
    »Wir müssen uns beeilen!«, mahnte Julia. »Ich spüre, wie die Magie schwindet!«
    Zu diesem Zeitpunkt konnten sie die Mauer vor ihnen deutlich erkennen. Sie war ungefähr drei Meter hoch und bestand aus alten, flachen Backsteinen – es schienen die gleichen Backsteine zu sein wie die, die in der Mauer der Hölle verbaut worden waren. Vermutlich hatten die gleichen Baumeister daran gearbeitet. Die Mauer überragte einen schmalen, gräulichen Strand, der sich nach links und rechts erstreckte, bis er in der Ferne verschwand. In die Mauer war eine riesige, alte Holztür eingelassen, ausgeblichen und verwittert durch Zeit und Wetter. Als sie näher kamen, erkannten sie, dass die Tür sieben verschieden große Schlüssellöcher hatte.
    Rechts und links neben der Tür standen zwei einfache Holzstühle, wie man sie draußen auf die Veranda stellt, weil sie zu schäbig fürs Esszimmer geworden sind, aber noch stabil und zu gut zum Wegwerfen. Sie passten nicht zusammen; einer von ihnen hatte eine Korbsitzfläche. Auf den Stühlen saßen ein Mann und eine Frau. Der Mann war groß, dünn, um die fünfzig und hatte ein strenges, schmales Gesicht. Er trug einen schwarzen Frack mit Schößen. Damit glich er ein wenig Abraham Lincoln auf dem Weg ins Theater.
    Die Frau war ungefähr zehn Jahre jünger, blass und schön. Als sie den Strand betraten, hob sie die Hand zum Gruß. Es war Elaine, die Zöllnerin von der Außeninsel. Sie wirkte wesentlich ernster als bei ihrer letzten Begegnung. Auf ihrem Schoß saß der Sehende Hase. Sie liebkoste ihn.
    Sie stand auf, und der Hase sprang herunter und verschwand hakenschlagend den Strand entlang. Quentin sah ihm nach. Er erinnerte ihn an die kleine Eleanor und ihre geflügelten Kaninchen. Er fragte sich, wo sie war und wer auf sie aufpasste. Er nahm sich vor,
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