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Fiese Finsterlinge

Fiese Finsterlinge

Titel: Fiese Finsterlinge
Autoren: Royce; Stefanidis Buckingham
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waren nicht mehr putzmunter wie sonst, aber immerhin noch am Leben. Andere Manifestationen hatten nicht überlebt – eine halbe Straße weiter verunzierten die Überbleibsel zahlloser lebendiger Staubflusen den Gehweg, getötet vom selben Wolkenbruch. Hausgeräusche wie quietschende Türen und Phantomschritte, die im Freien nichts zu suchen hatten, hatten sich in der Gartenlaube versteckt gehalten. Als Lilli hineinlugte, hatten sie vor lauter Verzückung darüber, wieder einen menschlichen Zuhörer zu haben, einen solchen Lärm veranstaltet, dass Lilli und Richie Ohrstöpsel hatten benutzen müssen, als sie die Audiodämonen kurz darauf mit einem Mikrofon in ein Aufnahmegerät saugten.
    Nein, beschloss sie, sie musste nicht die ganze Welt retten. Es reichte ihr, sich um ihren kleinen Zipfel davon zu kümmern.
    Lilli zuckte mit den Schultern, zog die Vorhänge zu und fuhr mit der Arbeit an dem Wandgemälde fort, an dem sie dieser Tage malte. »Es ist nicht unser Problem«, sagte sie ebenso zu sich selbst wie zu Zoot. Sie wedelte mit der Hand, und die Farben veränderten sich, zerflossen und breiteten sich aus.
    Unten flog die zusammengenagelte Sperrholzplatte auf, die ihnen als behelfsmäßige Haustür diente.

    »Hallo«, erschallte die Stimme von Nates Freundin Sandy. Lilli fragte sich, ob die Jung-Bibliothekarin eigentlich überhaupt noch als seine Freundin zählte, wo er nun fort war.
    »Hallooooo!«, rief Sandy erneut. Lilli ging zum oberen Treppenabsatz und blickte hinunter. Sandy trug ihre dicke Brille und einen Laptop. Sie atmete schwer und schnell, als ob sie soeben zum Haus gesprintet wäre – und genau das hatte sie ja getan.
    »Hallooooo! Ist außer mir noch irgendein anderes dreidimensionales Wesen im Haus?«
    »Hey, Sandy«, rief Lilli hinunter. »Lange nichts von dir gehört.«
    »Die Telefone sind tot, die Straßen blockiert. Überall ziehen Gangs herum. Ich habe Kopf und Kragen riskiert, um herzukommen. Die ganze Stadt ist in Aufruhr. Und was tust du?« Sie deutete auf Lillis Hände, an denen Farbe klebte. »Malen?«
    »Es beruhigt mich«, sagte Lilli.
    »Wie kann man in diesen Zeiten so ignorant sein? Und wo steckt Richie?«
    »Keine Ahnung. Sehe ich aus wie sein Bewährungshelfer? «
    »Sehr lustig. Jemand muss sich um ihn kümmern. Ohne strenge Führung verwandelt Richie sich ruckzuck in einen dieser plündernden Rowdys dort draußen.«
    In dem Moment platzte Richie herein, einen Fernseher in den Armen. Keuchend stellte er ihn ab und trat die Tür hinter sich zu.

    »Lilli, guck mal, was für einen coolen Fernseher ich
habe!« Dann sah er Sandy und runzelte die Stirn. »Oh, hallo Sandy.«
    »Richie! Woher hast du den Fernseher?«, herrschte Sandy ihn an.
    »Reg dich ab«, entgegnete Richie. »Er lag auf der Straße rum, okay?«
    Sandy warf erst Richie und dann Lilli funkelnde Blicke zu. »Seht euch an! Ihr seid die einzigen Menschen in der Stadt, die wissen, was im Gange ist.« Sie ruderte mit den Armen und tigerte in der Eingangshalle auf und ab. »Da draußen ist die Hölle los. An einer Bushaltestelle in Fremont sind vier steinerne Statuen, die dort seit einer Ewigkeit standen, in einen öffentlichen Bus eingestiegen . Die Haltegriffe an der Kletterwand bei REI schlüpfen den Kletterern aus den Händen – der Laden musste extra einen Kran kommen lassen, um die Leute runterzuholen. Und ihr kennt doch die Kaugummimauer am Pike Place Market, wo die Leute in einer Art ›Kunstprojekt‹ Kaugummis ankleben?«
    »Klar«, erwiderte Richie.
    »Nein«, sagte Lilli, »aber das ist eine der coolsten Sachen, die ich je gehört habe.«
    Sandy schüttelte den Kopf. »Es ist aber nicht mehr cool, wenn die Kaugummis von der Mauer abspringen und die Leute durch die Straßen jagen, um sich an ihre Schuhsohlen und in die Haare zu kleben.«
    Sie sah ernst und zutiefst besorgt aus, aber Richie konnte nicht anders, als zu lachen.
    »Aber am schlimmsten ist«, fuhr Sandy fort, »in der Stadtbibliothek werden unter mysteriösen Umständen Bücher zerstört, und sie müssen gerettet werden!«

    »Na dann, viel Glück«, sagte Richie.
    »Ja, gutes Gelingen«, pflichtete Lilli ihm bei.
    »Dann wollt ihr also hier herumsitzen und Bilder malen und in einen gestohlenen Fernseher glotzen?«
    »Nun, das war der Plan für heute«, sagte Richie.
    »Genau, und?«, fügte Lilli an.
    »Ihr müsst etwas unternehmen!«, rief Sandy aufgeregt.
    »Ich glaube, du verwechselt mich mit jemandem, der sich freiwillig meldet, um die
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