Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuersteins Ersatzbuch

Feuersteins Ersatzbuch

Titel: Feuersteins Ersatzbuch
Autoren: Herbert Feuerstein
Vom Netzwerk:
mit den Elefantenbabys Zoe und Lominyek genommen hatte, ging ich davon aus, dass sich mein gutes Verhältnis zu Dickhäutern in der Wildnis rumgesprochen hatte, und fand deshalb nichts dabei, ganz dicht an ein Elefantenjunges ranzufahren.
    Da sah ich plötzlich im Rückspiegel, dass mir jemand nachlief. Ein Elefant. Mit aufgestellten Ohren und hoch aufgerichtetem Rüssel.
    Ich fuhr schneller als Schwester Angelika und direkter als der Großwildjäger zum vergitterten Bus zurück und sprang hinein.
    Später, im Film, sah ich, dass die Elefantenmutter nur ein paar Schritte in meine Richtung gelaufen war, nicht viel mehr als eine Drohgebärde, aber man weiß ja nie. Und als ich hinterher den Ranger fragte, ob mein Verhalten gefährlich gewesen sei, sagte er: »Ja, das war ziemlich gefährlich.« Wolpers aber strahlte: »Tolles Bild.« Er war nur enttäuscht, dass mich der Elefant nicht totgetrampelt hatte.
    Menschen, die Wolpers nicht kennen, könnten natürlich auch hier wieder mildernde Umstände geltend machen: Er hatte den Elefanten schließlich nicht aufgehetzt, es war ja meine Fahrt gewesen. Stimmt. Aber er hat mich durchs Fernglas beobachtet und gesteuert. Mir genau gesagt, wie ich fahren soll. Mich ausdrücklich in Richtung Elefantenbaby und damit in den möglichen Tod geschickt. Aber bitte, wenn Sie unbedingt wollen, mildere ich die Anklage auf grobe Fahrlässigkeit. Es gibt ja noch ein weiteres Beispiel. Und da war es REINE MORDLUST.
    Wegen meiner Herkunft aus Österreich habe ich ein gestörtes Verhältnis zu Löwen. Denn in meiner alten Heimat spricht man den Löwen als »Löben« aus, was zu einem der fürchterlichsten Kalauer der Humorgeschichte geführt hat: »Warum heißt der Löbe Löbe? Weil er in der Wüste löbt.« Da man sich mit den Phonemen der Kindheit sein Leben lang abquälen muss, hatte ich wegen der dämlichen Löben viel Spott zu ertragen, ebenso wegen der Giraffen, aus denen trotz besseren Wissens auch bei Ex-Österreichern wie mir gelegentlich immer noch »Schiraffen« werden. Beide Tiere sind mir dadurch so verleidet worden, dass ich nie mehr in einen österreichischen Zoo gehe.
    Wir hatten inzwischen »umgesetzt«, wie es im Filmer-Jargon so schön heißt, und standen jetzt in einem Gelände, wo bestimmt ein Löwe vorbeikommen würde, wie uns der Ranger versprach. Diesmal war ich nicht allein im Jeep: Stephan hockte mit der Kamera auf dem Beifahrersitz und der Ranger benutzte das Reserverad hinter dem Rücksitz als Versteck, um nicht im Bild zu sein.
    Dann kam der Löwe. Ein männlicher Löwe, wie er im Buch steht, mit prachtvoller Mähne und majestätischem Gang. »Wir können ruhig näher an ihn ran«, flüsterte der Ranger hinter dem Reserverad, »er wittert eine Löwin. Solange er auf ihrer Fährte ist, interessiert ihn nichts anderes.« Wie gut, dass Wolpers nicht im Auto war, denn ich wette: Wenn Löwen einen Wolpers wittern, drehen sie durch. Übrigens nicht nur Löwen.
    Ich fuhr näher ran, und fast hundert Meter lang begleiteten wir ihn parallel zu seinem Gang. Er schien das überhaupt nicht wahrzunehmen, er tat, als würden wir gar nicht existieren. Die Welt um ihn schien nur aus der Suche nach diesem geheimnisvollen, fernen Weibchen zu bestehen. Irgendwie erinnerte mich das an meine Pubertät.
    »Ich brauche davon unbedingt eine Totale«, kam das Kommando von Wolpers über Funk. Und das bedeutete: Alleinfahrt für mich im Jeep.
    Stephan und der Ranger stiegen in den Gitterbus um. Da der Löwe unbeirrt weitermarschiert war, hatten wir ihn bald eingeholt. Ich fuhr an seiner rechten Seite, der Bus mit der Kamera auf der linken, natürlich mit großem Abstand, damit Stephan die ganze Palette der Einstellungen zur Verfügung hatte, von der weiten Landschaft bis zum Blick auf meine angstgeweiteten Pupillen durch das Teleobjektiv.
    Mir fiel ein, was unser Großwildjäger zu diesem Thema gesagt hatte: »Löwen sind entweder harmlos oder gefährlich, je nachdem. Im Allgemeinen sind sie harmlos, weil sie den Menschen für überlegen halten und ihn deshalb fürchten und meiden. Wenn sie aber zufällig mal einen angefallen haben und dabei erkannten, was für eine leichte Beute er ist, fressen sie ab sofort nur noch Menschen.« Würde ich heute jener Mensch sein, bei dem er es rausfindet?
    »Näher ran«, quakte Wolpers aus dem Funkgerät, obwohl ich schon so nahe war, dass ich ganz deutlich den Löwengeruch spürte. Und ich wusste, wie Löwen riechen, denn ein paar Tage vorher hatte ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher