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Feuersteine

Feuersteine

Titel: Feuersteine
Autoren: Chris P. Rolls
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seufzte erneut, ohne allerdings zurückzuweichen. „Sie starb mit meinem Mann bei einem Autounfall vor drei Jahren“, erklärte sie mit gesenkter Stimme.
    Betroffen legte Aischa den Arm spontan um sie.
    „Das tut mir leid.“ Lily seufzte abermals und lächelte traurig.
    „Oh nein, es war gut, dass es passiert ist.“ Sie drehte sich ein wenig. „Verstehe mich nicht falsch, ich habe sie geliebt, ja wirklich, aber ich war dem nicht gewachsen. Ich sollte trauern, um ihn, doch alles, was ich danach verspürte, war das Bedauern, meine Tochter nicht wieder lachen zu sehen.“ Sie drückte sich kaum merklich dichter an Aischa. „Und ein Gefühl von … Freiheit.“ Aischa schüttelte bestürzt den Kopf und Lily wich zurück, befreite sich aus ihrer Umarmung.
    „Ich weiß, dass sie mich dafür verurteilt haben. Meine Freunde, allen voran meine Eltern. Aber für mich war es wie ein Zeichen, die Chance, aus allem auszubrechen, raus aus jenem Leben, welches sie für mich vorgesehen und geplant hatten.“ Lily nahm in einem Sessel Platz und sah zu Aischa hoch. Sie wirkte zerbrechlich, wie sie ihre Haare zurückstrich und den Blick zu Boden senkte.
    „Ich habe ihn nicht wirklich geliebt“, erklärte sie mit leiser Stimme. „Als Angelina geboren wurde, war es wie eine zusätzliche Last. Ich liebte sie, dennoch band sie mich mit ihrer Existenz an ihn und an mein Leben. Ich vermisse sie. Ihre Hände, die mich berührten, ihr Lächeln, ihre Stimme, wie ihre Haare im Sonnenlicht glänzten. Oh, ich vermisse sie ...“ Sie hob den Blick, ein Hauch Verzweiflung spiegelte sich in ihren Zügen wieder. Entfernt glitzerten Tränen darin.
    „Mein eigentlicher Name ist nicht Lily“, gab sie leise zu. „Ich wurde geboren als Elisabeth Lydia Gräfin von der Erlweide.“ Sie lachte humorlos auf, ein Laut, der Aischa durch und durch ging, und sie hockte sich neben den Sessel und griff nach ihrer Hand. Die schlanken Finger lagen warm in ihrer Hand, stark und trotzdem fragil.
    „Ein altes Adelsgeschlecht. Meine Eltern hängen an ihren Familientraditionen, sind stolz auf unseren Stammbaum. Ich wurde erzogen, wie es einer Gräfin zustand. Man suchte mir meinen Mann aus. und es wurde erwartet, dass ich ihn widerspruchslos heirate, Kinder habe und ein Leben der Konventionen lebe. Ich habe mich gefügt, wagte nie auszubrechen. Nur in meinen Träumen, da war ich ein anderer Mensch, da tauschte ich die Rollen, da war ich nur das einfache Mädchen. Oft habe ich daran gedacht, zu fliehen, aus dieser Welt zu verschwinden. Ich habe wilde Pläne geschmiedet. Bis Angelina geboren wurde. Da gab es kein Zurück mehr. Ich war gefangen. In meiner Liebe zu ihr gefangen, die mich alles ertragen ließ.“
    Sie wandte den Blick ab und strich sich über die Augen. Wenn sie weinte, verbarg sie es geschickt, trotzdem zog sich Aischas Herz schmerzhaft zusammen.
    „Als ich die Nachricht von dem Unfall bekam, habe ich weiter funktioniert, wie man es von mir erwartet hat. Doch ich hatte keine Tränen, die ich weinen konnte, da war nichts. Ich war wie betäubt, empfand nichts so stark wie diese Erleichterung und die Gewissheit, dass ich nun mein Schicksal ändern konnte. Die Trauer um meine Angelina kam erst viel später.
    Ich habe sie beide begraben, habe die ganze Feier über gelächelt, wenn es sein musste, genickt, wenn jemand was sagte. Ich kehrte heim und am nächsten Tag bin ich für immer gegangen. Habe dieses Leben hinter mir gelassen. Niemand von ihnen weiß, wohin, niemand hat mich hier gefunden oder soll mich finden. Ich lebe hier alleine und habe endlich zu mir selbst gefunden. Hier konnte ich um den Verlust trauern, meine süße Tochter beweinen. Hier gehöre ich her. Es war ein langer Weg für mich ...“ Lily wandte Aischa ihr Gesicht zu. Es war gerötet. Ein winziger Tropfen hing an ihren langen Wimpern, glitzerte im grauen Licht der versteckten Wintersonne.
    Aischa zog ihre Hand zu sich heran, sah zu ihr auf, wusste, verstand, warum Lily gegangen war. Das Wissen war da, kam nicht schleichend, sondern mit voller Wucht und traf sie mitten in ihrem Herzen. Wilde Freude, sehnsüchtige Hoffnung keimte ein ihr auf. Sie berührte die kühle Haut mit ihren Lippen. Lily zitterte ganz leicht.
    „Ich konnte ihn nicht lieben ...“, ihre Stimme drohte zu kippen, „... meinen Mann. Es ging nicht … ich habe es versucht. Wirklich, ich wollte es, aber er war nie mehr als ein guter Freund für mich. Sein Körper übte so gar keinen Reiz auf mich aus. Es war
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