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Feuerscherben

Feuerscherben

Titel: Feuerscherben
Autoren: Jasmine Cresswell
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überlegte, weshalb die lodernden Flammen ihr solche Angst einflößten. Jon hat ein Superfeuer gemacht, dachte sie benommen. Aber weshalb hat er es draußen vor dem Haus entfacht und nicht im Wohnzimmer, wo ein hübscher sicherer Kamin steht?
    Kaum hatte sie die Frage gestellt, bemerkte Claire, wie unsinnig der Gedanke war. Sekunden später wurde ihr bewusst, was passiert war.
    Du liebe Güte – das Blockhaus brennt!
    Claire eilte zur Tür und riss sie auf. Dicke Rauchschwaden schlugen ihr entgegen. Sie waren so dicht, dass das Wohnzimmer nicht mehr zu sehen war.
    »Jon! Jon! Wach auf!« Sobald sie die Mund öffnete, um den Freund zu warnen, füllten sich ihre Lungen mit Rauch und begannen entsetzlich zu brennen. Sie bekam keinen Ton mehr heraus.
    Ein Handtuch. Ich brauche unbedingt ein nasses Handtuch!
    Die Sicherheitsregel von den regelmäßigen Feueralarmübungen in der Highschool kam ihr in den Sinn. Claire tastete nach der Wand und taumelte ins Badezimmer zurück. In weniger als einer halben Minute hatte sich der Raum mit dichtem Rauch gefüllt. Ihre Augen tränten, und ihr Hals brannte wie Feuer. Claire glitt an der Badewanne entlang, bis sie ein Handtuch gefunden hatte. Zitternd feuchtete sie es unter dem spärlichen Wasserstrahl an, der noch aus dem Hahn kam. Sie band das Tuch vor das Gesicht, was schwieriger war, als sie vermutet hatte, und wollte ins Wohnzimmer zurück.
    Der Rauch war so dicht, dass sie nur weniger Zentimeter weit sehen konnte. Dahinter war nichts als eine wogende undurchsichtige Wand. Russteilchen verstopfen ihr die Nase. Über ihrem Kopf knackte es unheilvoll in den brennenden Deckenbalken. Die Hitze war so groß, dass ihr der Schweiß ausbrach. Zum Glück waren noch keine Flammen zu sehen.
    Wegen der offenen Bauweise des Blockhauses gab es nur wenige Innenwände, an die sie sich halten konnte. Claire kroch ein Stück über den Holzboden und stieß plötzlich an einen Küchenschrank. Entsetzt erkannte sie, dass sie in der falschen Richtung nach Jon gesucht und kostbare Minuten verloren hatte. Sie unterdrückte einen Schluchzer und tastete sich am Schrank entlang zum Ausgang der Küche. Sie verdrängte ihre aufsteigende Panik und überlegte konzentriert. Das Spülbecken war unmittelbar hinter ihr. Links konnte sie die glatte Oberfläche des Kühlschranks fühlen, die Anrichte stand auf der rechten Seite. Also befand sie sich genau gegenüber dem Kamin im Wohnzimmer. Jon musste ungefähr sieben Meter vor ihr auf dem Boden liegen.
    Nicht im Traum hätte Claire sich vorgestellt, wie schwierig es war, in gerader Linie zu kriechen. Im dichten Rauch verlor sie sofort die Orientierung und wusste sekundenlang nicht, was vor und was hinter ihr lag. Sie hielt den Kopf gesenkt, setzte die Hände voreinander und versuchte, die Bodendielen als Richtschnur zu verwenden. Dabei konzentrierte sie sich so auf ihre Fortbewegung, dass sie mit Jon zusammenstieß, bevor sie ihn entdeckt hatte.
    »Gott sei Dank!« Claire schüttelte die Schultern des Freundes und schrie und flehte, Jon solle endlich aufwachen. Doch er rührte sich nicht. Entsetzt presste sie ihr Ohr auf seine Lippen und legte die Finger an seinen Hals. Sie spürte nicht den Hauch eines Atems und fühlte auch nicht den schwächsten Puls.
    »Jon, Jon! Verdammt, wach auf!« Erneut schüttelte sie ihn und schlug ihm auf die Brust. »Komm hoch, du Faulpelz. Beweg deinen Arsch! Wir müssen raus!« Stille. Tödliche Stille.
    Nein, Jon war nicht tot. Er durfte nicht tot sein. Sie würde es nicht zulassen, dass er tot war. Schluchzend kroch Claire nach hinten, schob die Arme unter seine Achseln und hob den schlaffen Oberkörper an. Sie umschloss seine Brust und begann, seinen Körper in Richtung Haustür zu ziehen.
    Rums! Das explosionsartige Krachen schien von allen Seiten gleichzeitig zu kommen. In Sekundenschnelle richtete sich eine Feuerwand vor ihr auf und versperrte ihr den Ausgang.
    Claire rührte sich nicht. Wie sollte sie jetzt nach draußen kommen? Gütiger Himmel, was sollte sie tun? Sie setzte sich auf die Fersen, legte Jons leblosen Körper auf die Knie und versuchte, sich an den Grundriss der Hütte zu erinnern. In der Wäschekammer neben dem Bad gab es eine Hintertür. Sie hatte keine Ahnung, wie sie Jon so weit schleifen sollte, doch das schien der einzige realistische Fluchtweg zu sein. Die Küche war zwar viel näher. Aber das Fenster über dem Spülbecken war zu schmal und zu hoch, um Jon hindurch zuschieben. Außerdem kroch das
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