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Feuerscherben

Feuerscherben

Titel: Feuerscherben
Autoren: Jasmine Cresswell
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später
     
    Bainbridge stand auf, denn der Präsident und die First Lady traten aus dem Weißen Haus in die strahlende Mitsommersonne. Applaus rauschte auf, und der Butler fiel gemessen darin ein. Zwar besaß er seit Langem einen amerikanischen Pass und war mächtig stolz darauf, amerikanischer Staatsbürger zu sein. Aber das hätte er niemals zugegeben, denn es würde die Illusion zerstören, die er all die Jahre mühsam geschaffen hatte.
    Evelyn Campbell hatte ihn eingestellt, als er nicht wusste, wovon er seine nächste Mahlzeit bezahlen sollte. Dafür war er zu großem Dank verpflichtet. In der Position des Butlers bedeutete dies, einen hochnäsigen Engländer zu spielen, der sich nicht von den Ritualen der amerikanischen Demokratie beeindrucken ließ. Bainbridge bemerkte den Blick eines Reporters und nahm sofort die entsprechende herablassende Miene an.
    Natürlich hatte ihn Evelyn innerhalb von zwei Tagen durchschaut und erkannt, dass er nichts als ein Schwindler war. Vor dreißig Jahren war Bainbridge ein brotloser Schauspieler gewesen. Seine einzige Qualifikation für die neue Stelle hatte darin bestanden, dass er in einer Fernsehserie, die nicht lange gelaufen war, einen britischen Butler gespielt hatte. Anstatt ihn hinauszuwerfen, hatte Evelyn zu ihm gehalten, bis er beinahe so gut wie ein echter Butler war.
    Bainbridge war höchst erfreut, dass sich Evelyns Leben nach all den Tragödien der letzten Jahre endlich zum Besseren wendete. Monatelang hatte sie nach Rogers Tod getrauert und furchtbare Schuldgefühle gehabt. Die ganze Familie hatte sich gerade erst von dem Entsetzen über Rogers Selbstmord erholt, als Claire und Ben in den Weihnachtsferien heirateten. Aber jetzt war es an der Zeit, an glücklichere Dinge zu denken. Die Fernsehkameras summten, sobald Andrew Campbell, der soeben ernannte neue Innenminister, an die zahlreichen Mikrofone trat, um vereidigt zu werden. Hinter ihm erkannte Bainbridge die strahlenden Gesichter von Claire und Ben, die seit fast acht Monaten glücklich verheiratet waren.
    Er nickte anerkennend, als Evelyn in einem hocheleganten dunkelblauen Seidenkostüm und herrlichem Perlenschmuck die Bibel in die Höhe hielt, die Hector und Jaime Campbell vor mehr als einem Jahrhundert über den Atlantik mitgebracht hatten. Andrew legte die Hand auf den abgeschabten Deckel und sprach mit fester kräftiger Stimme den Amtseid nach.
    Seine Rede nach der Vereidigung war nur kurz. Mit wenigen Sätzen versprach er, sich weiterhin für eine vernünftige Umweltpolitik einzusetzen, welche die Bedürfnisse der örtlichen Wirtschaft nicht vergaß.
    Sehr geschickt, dachte Bainbridge zufrieden. Alle stimmen dieser Absicht im Prinzip zu, aber keiner will jetzt die komplizierten Einzelheiten hören. Die Reporter halten sich lieber an die Erdbeeren und den Punsch, als einer Zwanzig-Punkte-Erklärung des neuen Kabinettschefs zu lauschen.
    Andrew und Evelyn mischten sich mit dem Präsidenten und der First Lady unter die eingeladenen Lobbyisten und Interessenvertreter. Claire und Ben lösten sich aus der Gruppe der Freunde und Würdenträger und kamen zu Bainbridge herüber. Er blieb stehen, und Claire hakte sich fröhlich bei ihm ein, ohne seine hochgezogenen Brauen zu beachten. Selbstverständlich sagte Bainbridge nichts. Doch er stellte belustigt fest, dass er Ben immer noch ein bisschen einschüchtern konnte.
    »Guten Morgen«, sagte Bainbridge ernst. »Es ist mir eine Freude, Sie beide wohlauf zu sehen.«
    »Sie sehen ebenfalls gut aus, Bainbridge. War das nicht eine großartige Zeremonie?« Claire schob die beiden Männer zu dem Tisch, an dem Erdbeeren mit Sahne serviert wurden. »Die Anhörungen vor Dads endgültiger Ernennung waren zwar ein bisschen unangenehm, weil die Abgeordneten ständig auf persönlichen Dingen herumhackten. Aber Dad wird großartige Arbeit leisten, das weiß ich genau.«
    Bainbridge ließ sich erweichen und tätschelte ihre Hand. »Das wird er ganz sicher, meine Liebe. Die Tatsache, dass sich sowohl der Sierra Club als auch die Handelskammer für ihn ausgesprochen haben, beweist, wie sehr Mr. Campbell für diese Position geeignet ist.«
    Ben reichte den beiden eine Schale mit Erdbeeren. »Evelyn strahlt richtig«, stellte er fest. »Darüber bin ich besonders froh.«
    »Ich glaube, Mr. und Mrs. Campbell freuen sich sehr auf den Umzug nach Washington. Mrs. Campbell ist eine hervorragende Gastgeberin. Ich bin sicher, ihre Einladungen zum Dinner werden zu den begehrtesten
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