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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau
Autoren: Federica de Cesco
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glänzende Sterne. Ich hob meine Uhr an die Augen, wartete auf den nächsten Blitz, um das Zifferblatt zu erkennen. Halb vier. Paris schlief. An der Place du Contrescarpe waren Bistros und Cafes längst geschlossen.
    Hoch oben an der düsteren Häuserfront entdeckte ich ein einziges erleuchtetes Fenster, gerade unter dem Dach, ein goldenes Licht im weißen Feuerwerk der Blitze.
    Meine Hände tasteten über den Fensterrahmen. Ich fand den Griff, drückte ihn herunter. Das Fenster flog auf. Ich beugte mich hinaus, in den kalten Wind. Die Tropfen fielen herab, wie aus der Luft herausgesprüht; sie glitzerten bei jedem Blitz wie Edelsteine. Ich spürte den Regen auf mein Gesicht prasseln, und mein T-Shirt war in zwei Sekunden klatschnaß.
    Jetzt, bei offenem Fenster, war das Getöse ohrenbetäubend. Die Blitze schlugen gleichzeitig von allen Seiten durch die Nacht, ließen violette und grünliche Spuren in den Augen zurück.
    Durch das Rauschen und Krachen hörte ich eine Stimme hinter mir, die etwas rief. Ich wandte mich um; Martins Gestalt wurde im Aufflackern der Blitze sichtbar. Er tastete sich zum Fenster, packte den Griff und schloß es, daß die Scheiben klirrten. Durch das beschlagene Glas waren die Blitze nur noch als weißliches Leuchten sichtbar, und das Krachen des Donners ging in dumpfes Rollen über.
    »Du bist ja ganz naß!« keuchte Martin. »Bist du wahnsinnig?«
    »Ein herrliches Gewitter!«
    »Darüber kann man geteilter Meinung sein.«
    Ich verschränkte schlotternd die Arme. Ein Blitzknäuel zuckte über die Dächer; der nächste Donnerschlag klang gedämpft: Das Gewitter wanderte nach Süden.
    »So komm doch, du erkältest dich ja«, sagte Martin.
    Ich streifte mein feuchtes T-Shirt über den Kopf, rieb mir die Haare trocken. Dann warf ich das zerknüllte T-Shirt auf den Boden, legte mich wieder zu Bett. Martin hatte sich schon unter das Daunen gekuschelt. Er nahm mich in die Arme; ich zog die Knie hoch, unter seinen gekrümmten Beinen, den Rücken gegen ihn gedrückt, um mich an seinem Körper zu wärmen. Er lachte leise.
    »Um ehrlich zu sein, ich habe Angst vor Gewitter. Da würde ich mich am liebsten unter dem Bett verkriechen.«
    »Das kannst du bei mir nicht. Ich habe einen Futon.«
    »Gott sei Dank ist es bald vorbei. Hat das Haus eigentlich einen Blitzableiter?«
    »Ich weiß nicht.«
    Martin räusperte sich, suchte eine Melodie und summte sie vor sich hin.
    »Unter den Dächern von Paris. Hat das nicht Yves Montand gesungen?
    Oder Edith Piaf? Ist ja egal, ich würde lieber im Parterre wohnen!«
    Ich lachte, wobei ich gleichzeitig mit den Zähnen klapperte.
    »Du bist ja ganz klamm!« sagte Martin.
    »Dann wärme mich.«
    Er drückte mich enger an sich; seine Lippen knabberten an meinen Ohrläppchen, wanderten über mein Gesicht und suchten meinen Mund.
    Martin küßte gut und zeigte sich auch in anderen Dingen ganz geschickt.
    Leider mochte er begehrenswerte Frauen mit großen Busen, und bei mir kam er nicht ganz auf seine Rechnung. Aber ich würde mir kein Silikon einsetzen lassen, bloß um einem Mann zu gefallen.
    Martin kam aus Yale, Connecticut, wo er das College besucht hatte. Er war Stipendiat der John-Hopkins-Universität, wo er als Wissenschaftsjournalist promovierte. Daneben hatte er sich als Fotograf ausbilden lassen, sich auf Vulkane spezialisiert und bei einem Wettbewerb des amerikanischen Fotografenverbandes den zweiten Preis gewonnen.
    Seine Farbfotos über den Ausbruch des Mayon-Vulkans auf den Philippinen waren atemberaubend schön.
    Martin war für waghalsige Reportagen an Kraterseen und Lavaströmen bekannt. Als ich ihn kennenlernte, hatte er schon zwei Bildbände veröffentlicht. Wir begegneten uns im CNRS – im Centre National de la Recherche Scientifique –, wo ich seit drei Jahren arbeitete. Martin war für die UNESCO im Rahmen eines Projektes über die Erscheinungen des Vulkanismus tätig. Das CNRS beteiligte sich am gleichen Projekt. Zu Neujahr hatte das Institut die übliche Party veranstaltet. Eine Menge Leute waren anwesend. Forscher und Wissenschaftsjournalisten beherrschen die Kunst, sich ohne Pathos in Szene zu setzen; sie gehen in einer Aura bescheidenen Glanzes einher. Ähnlich wie Korrespondenten und Pressevertreter erwarten sie, als VIPs zu reisen und nur in den besten Hotels untergebracht zu werden. Pullover, ausgebeulte Hosen und Pfeiferauchen gehören bei ihnen zum guten Ton. Einige sind ausgeglichen, freundlich, beziehen ein geringes Gehalt und leben
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