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Feuerflut

Feuerflut

Titel: Feuerflut
Autoren: James Rollins
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Krankenhaus gebracht.
    Seitdem hatte er es nicht wieder verlassen.
    Bei der Tomografie hatte man festgestellt, dass er einen kleinen Gehirnschlag erlitten hatte, von dem er sich jedoch gut erholte. Das war eher ein Zufallsfund. Der eigentliche Grund für die Verschlechterung seiner Demenz – die Halluzinationen, die nächtlichen Panikattacken, das Sonnenuntergangssyndrom – war auf eine falsche Dosierung der verschriebenen Medikamente zurückzuführen gewesen. Sein Vater hatte unabsichtlich zu viele Tabletten geschluckt, sich auf diese Weise vergiftet und dehydriert, was den Schlaganfall ausgelöst hatte. Die Ärzte korrigierten im Moment die Medikation und waren der Ansicht, dass er bald in eine Einrichtung für betreutes Wohnen verlegt werden könnte.
    Das würde die nächste Schlacht werden, die es zu bestehen galt.
    Nach der Bestattung seiner Mutter musste Gray entscheiden, was mit seinem Elternhaus geschehen sollte. Sein Bruder Kenny, der in Kalifornien lebte, war zum Begräbnis hergekommen und wollte sich heute mit einem Notar und Immobilienmaklern treffen. Es gab einige Reibungspunkte zwischen den beiden Brüdern, dazu kamen eine Menge Groll und gegenseitige Schuldzuweisungen. Kenny kannte nicht die genauen Todesumstände seiner Mutter, sondern wusste nur, dass sie das Opfer einer gegen Gray gerichteten Racheaktion geworden war.
    Jemand sprach ihn leise von hinten an. »Wir servieren gleich das Frühstück. Soll ich Ihnen ein Tablett bringen?«
    Gray wandte sich um. »Nein, danke, Mary.«
    Mary Benning war die Stationsschwester. Sie war eine reizende Frau mit braun-grauem Bubikopf und trug einen blauen Kittel. Ihre Mutter litt an Lewy-Body-Demenz, deshalb konnte sie nachvollziehen, was Gray und dessen Vater gerade durchmachten. Gray wusste persönliche Erfahrung zu schätzen. Das erleichterte die Verständigung.
    »Wie war die Nacht?«, fragte Gray.
    Mary trat ins Krankenzimmer. »Gut. Dank der niedrigeren Dosierung des Sinemet schläft er nachts sehr viel ruhiger.«
    »Haben Sie heute Cutie oder Shiner mitgebracht?«
    Sie lächelte. »Beide.«
    Gemeint waren Marys Rehabilitationshelfer, die Dachshunde. Alzheimerpatienten zeigten eine starke emotionale Reaktion auf Tiere. Gray hätte nie gedacht, dass das bei seinem Vater funktionieren könnte, doch am Sonntag hatte Shiner auf dem Bett geschlafen, während sein Vater sich ein Footballspiel anschaute.
    Trotzdem war es ein harter Tag gewesen.
    Jeder Tag war hart.
    Als Mary hinausging, wandte er sich wieder seinem Vater zu.
    Gray versuchte, jeden Morgen da zu sein, wenn sein Vater aufwachte. Dann war es am schlimmsten. Zweimal hatte sein Vater vergessen gehabt, dass seine Frau nicht mehr lebte. Die Neurologen nahmen an, dass es eine Weile dauern würde, bis er ihren Tod verarbeitet hatte.
    Deshalb musste Gray ihm die traurige Tatsache immer wieder aufs Neue nahebringen. Sein Vater war schon immer ausgesprochen reizbar gewesen – die Alzheimererkrankung machte alles noch schlimmer. Dreimal hatte Gray schon den Zorn, die Tränen und die Vorwürfe seines Vaters aushalten müssen. Gray nahm alles ohne Vorwürfe hin; vielleicht glaubte er auch, er habe es nicht anders verdient.
    Das Geräusch von Schritten veranlasste ihn, sich umzudrehen.
    Mary streckte den Kopf ins Zimmer. »Sie haben Besuch.«
    Seichan gelangte in Sicht. Sie wirkte angespannt und fluchtbereit. Sie trug Bluejeans und eine dünne Bluse und hatte sich einen Motorradhelm unter den Arm geklemmt.
    Gray winkte sie ins Zimmer und bat Mary, die Tür zu schließen.
    Seichan zog einen Stuhl heran und setzte sich neben ihn. »Hab gewusst, dass ich Sie hier treffen würde. Ich wollte mit Ihnen besprechen, was ich herausgefunden habe, und dann nach New York fahren. Um der Sache nachzugehen. Hab mir gedacht, Sie möchten vielleicht mitkommen.«
    »Was haben Sie herausgefunden?«
    »Heisman und dessen Assistentin …«
    »Sharyn.«
    »Sind beide sauber. Sie hatten mit den Attentaten nichts zu tun. Die hat Waldorf anscheinend ganz allein in die Wege geleitet, indem er seine Beziehungen hat spielen lassen. Ich bezweifle, dass die Gilde sein Vorgehen abgesegnet hatte. Ich glaube, er hat selbstständig gehandelt, als er an Ihnen und Monk feige Rache üben wollte. Da die Bomben Stunden vor seinem Selbstmord installiert wurden, nehme ich an, dass er auf Nummer sicher gehen wollte für den Fall, dass Sie ihm in Tennessee entwischen sollten.«
    Gray dachte an die letzten Worte dieses Schufts.
    Es ist noch nicht
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