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Feuerball

Titel: Feuerball
Autoren: Ian Fleming
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herabrann und von dem Lederkissen auf den Boden tropfte. Dann legte Schwärze sich über alles.
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    Nur gut, daß der Körper den Schmerz nicht speichert. Vorbei ist vorbei.
    Als wieder Leben in seinen Körper strömte, war Bond erstaunt, daß dieses Netz aus rasenden Schmerzen, das seinen Körper so völlig umschnürt hatte, verschwunden war. Wohl schmerzte sein ganzes Rückgrat noch, als wären alle Wirbel einzeln mit Knütteln geprügelt worden; dieser Schmerz war jedoch lokalisierbar, blieb innerhalb der Bewußtseinsgrenzen und deshalb unter Kontrolle. Jener brennende Sturm aber, der seinen Körper durchwühlt und völlig beherrscht hatte, war fort.
    Die Stimmen wurden deutlicher.
    »Aber was brachte Sie nur darauf, daß etwas nicht stimmte, Miß Fearing?«
    »Der Lärm, der Maschinenlärm! Ich hatte eben eine Behandlung beendet, da, ein paar Minuten später, hörte ich es. Es war noch nie so laut gewesen. Zuerst glaubte ich, die Tür stehe offen, dachte mir weiter gar nichts und ging nur nachsehen. Und da stand der Zeiger auf 200! Ich riß den Hebel herum, machte die Gürte los, rannte ins Ordinationszimmer, holte das Coramin und injizierte es
    -    ein Kubik intravenös. Der Puls war furchtbar schwach. Dann rief ich Sie an.«
    »Sie haben wirklich getan, was möglich war, Miß Fearing. Es trifft Sie keine Schuld an dieser schrecklichen Sache.« Mr. Wains Stimme war unsicher. »Ein wahres Unglück! Wahrscheinlich hat der Patient den Hebel betätigt, hat daran herumprobiert. Wie leicht hätte er sich umbringen können! Wir müssen das der Firma melden und eine Sicherheitsvorrichtung anbringen lassen!«
    Bond spürte, wie sein Handgelenk vorsichtig ergriffen wurde. Jemand fühlte ihm den Puls. Nun war es Zeit, in die Welt Zurückzukehren. Er brauchte einen Arzt, und zwar rasch! Einen wirklichen, keinen dieser Karottenverkäufer! Eine Welle von Zorn durchlief ihn: M war an allem schuld! Er war verrückt! Erst einmal zurück, würde er es ihm schon sagen! Falls nötig, würde er zur obersten Leitung, zum Kabinett, ja bis zum Premier gehen! M war ein gefährlicher Irrer
    -    eine Gefahr für das Land! An Bond war es, England zu retten! Derlei hysterische Gedankenfetzen wirbelten durch seinen Kopf, mischten sich mit der Erinnerung an Graf Lippes haarige Hand, an Patricia Fearings Mund, an den Geschmack der heißen Gemüsesuppe und, während das Bewußtsein ihn wieder verließ, mit der schwindenden Stimme Mr. Wains: »Keine Organschäden. Es sind nur die Nerven
    - und der Schock überhaupt. Sie kümmern sich persönlich um den Fall, Miß Fearing. Ruhe, Wärme und Effleurage. Ist sonst noch ...«
    Bond erwachte, das Gesicht nach unten, auf seinem Bett. Sein ganzer Körper badete in wohligen Empfindungen. Unter sich fühlte er die angenehme Wärme einer Heizdecke, sein Rücken glühte von den Strahlen zweier starker Heizsonnen, und zwei Hände strichen mit etwas Samtigem abwechselnd seinen Körper entlang - immer wieder, vom Nacken bis zu den Kniekehlen.
    Er sagte schläfrig: »Das also nennt man Effleurage?«
    Das Mädchen sagte sanft: »Ich dachte mir schon, Sie würden jetzt zu sich kommen. Ihr ganzer Hauttonus hat sich plötzlich verändert. Wie fühlen Sie sich?«
    »Wunderbar. Und mit einem doppelten Whisky auf Eis wär’ es noch besser.«
    Sie lachte. »Mr. Wain rät zu Löwenzahntee. Aber ich dachte, ein kleines Stimulans ... nur das eine Mal natürlich. Und da hab’ ich den Brandy mitgebracht. Eis ist auch genug da, denn ich mache Ihnen jetzt eine Eispackung. Wollen Sie auch wirklich? Warten Sie, ich werfe Ihnen den Morgenrock über, dann können Sie sich umdrehen, ich schaue weg.«
    Bond vernahm das Wegrücken der Lampen. Vorsichtig wälzte er sich herum: der dumpfe Schmerz kam wieder, ließ aber gleich nach. Behutsam schob Bond die Beine über den Bettrand und setzte sich auf.
    Vor ihm stand Patricia Fearing, in sauberem Weiß, ermutigend, begehrenswert. In der einen Hand hielt sie ein Paar Nerzhandschuhe mit dem Pelz auf der Handflächenseite, mit der anderen streckte sie ihm das Glas entgegen. Während Bond trank und auf das beruhigende Klingeln des Eises hörte, dachte er: Das ist ein patentes Mädel. Mit der setz’ ich mich zur Ruhe. Sie macht mir den ganzen Tag lang Effleurage, gibt mir von Zeit zu Zeit einen scharfen Drink - das wird ein herrliches Leben! Er lächelte sie an, hielt ihr das leere Glas hin und sagte: »Noch einen.«
    Sie lachte, erleichtert darüber, daß er wieder ganz da war.
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