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Feuerball

Titel: Feuerball
Autoren: Ian Fleming
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Dann nahm sie ihm das Glas ab: »Aber nur noch diesen! Vergessen Sie nicht, auf nüchternen Magen kann Sie das schrecklich betrunken machen!« Plötzlich hielt sie inne, ihr Blick wurde kühl. »Und jetzt erzählen Sie mir, was passiert ist. Haben Sie zufällig den Hebel berührt? Sie haben uns einen fürchterlichen Schreck eingejagt! Nie vorher ist so etwas vorgekommen, der Traktionstisch ist absolut sicher!«
    Bond sah ihr offen in die Augen und sagte beruhigend: »Natürlich. Ich habe bloß versucht, mir’s bequemer zu machen, hab’ dabei herumgezerrt und bin mit der Hand an irgend etwas Hartes gestoßen. Das muß der Hebel gewesen sein. Sonst weiß ich nichts mehr. Ein Mordsglück jedenfalls, daß Sie so rasch gekommen sind.«
    Sie gab ihm den zweiten Drink. »Nun, jetzt ist’s vorbei. Und Gott sei Dank ohne arge Zerrungen! Noch zwei Tage, »Sie sind wieder frisch und munter.« Sie stockte, schien ein wenig verlegen. »Ja - und Mr. Wain meinte ... ob Sie das alles, all diese Aufregung, für sich behalten könnten ... Er hat Angst, daß die anderen Patienten sich Sorgen machen ...«
    Kann ich mir vorstellen, dachte Bond. Er sah schon die Schlagzeilen: GESUNDHEITSFARM-PATIENT FAST IN STÜCKE GERISSEN. STRECKFOLTER WIRD BERSERKER. GESUNDHEITSMINISTERIUM SCHRITT EIN. So sagte er: »Ich werde natürlich nichts erzählen, es war doch ganz mein Fehler.« Er trank aus, gab das Glas zurück und legte sich vorsichtig aufs Bett. »Das war herrlich! Und wie war’s jetzt mit einer weiteren Nerzbehandlung? Übrigens, wollen Sie mich heiraten? Sie sind die einzige unter allen, die ich je getroffen habe, welche einen Mann richtig zu behandeln weiß.«
    Sie lachte. »Schluß jetzt! Und drehen Sie sich herum! Ihr Rücken braucht die Behandlung.«
    »Woher wissen Sie das so genau?«
    Zwei Tage später war Bond von neuem in der irrealen Welt der Naturheilkur. Abermals das morgendliche Glas warmen Wassers und die sorgsam und maschinell in ebenmäßige Scheiben zerschnittene Orange; abermals die Behandlungen und heißen Suppen, abermals die leeren, zwecklosen Spaziergänge oder Busfahrten zum nächstgelegenen Tea-Room. Bond haßte und verachtete Tee, aber auf seinen leeren Magen und seinen fiebrigen Zustand wirkte die zuckrige Brühe fast wie ein Rauschmittel. Drei Tassen entsprachen unter den gegebenen Umständen etwa einer halben Flasche Champagner in der Außenwelt. Und er lernte sie alle kennen, diese köstlichen Opiumhöhlen: das Rose Cottage, das er mied, seit ihm die Wirtin dort das Entleeren der Zuckerdose extra berechnet hatte; die Strohscheune, die ihm gefiel, weil sie eine richtige Lasterhöhle mit großen Schüsseln süßen Kuchens auf den Tischen und dem bohrend verlockenden Duft heißer Butterhörnchen war; das Transport-Café, wo der indische Tee schwarz und stark war und die Lastwagenfahrer den Geruch von Schweiß, Benzin und großer Welt mitbrachten und noch ein Dutzend anderer landhaus- oder hüttenartiger Schlupfwinkel, in denen ältliche Paare mit Ford Populars oder Morris Minors in gedämpftem Ton miteinander sprachen, kleine Bissen sehr diskret zerkauten und lautlos mit dem Teegeschirr hantierten.
    Und das Ungewöhnliche daran war, daß er sich nicht erinnern konnte, sich je so gut gefühlt zu haben. Er war nicht kräftig, nein, aber er hatte keine
    Schmerzen, war ausgeschlafen und befreit von jenem beim Erwachen quälenden Schuldgefühl, Raubbau an seiner Gesundheit getrieben zu haben. Tatsächlich, es war beunruhigend! Änderte sich seine Persönlichkeit? War er im Begriff, seine Identität zu verlieren? Verlor er seine Laster, die so untrennbar zu ihm, zu seinem rücksichtslosen, grausamen, grundsätzlich harten Charakter gehörten? Was wurde hier aus ihm?
    Trotzdem, eines half ihm, diese Zeit zu überstehen: er war besessen von drei Wünschen, die zu seinem früheren Leben gehörten und ihn nicht verließen. Erstens empfand er eine leidenschaftliche Gier nach einer großen Portion Spaghetti Bolognese mit viel gehacktem Knoblauch und einer ganzen Flasche vom billigsten, rauhesten Chianti; zweitens überwältigte ihn fast die Begierde nach dem starken, glatten Körper von Patricia Fearing, und drittens beschäftigte ihn das Lauern auf eine Gelegenheit, dem Grafen Lippe die Därme herauszureißen.
    Bond wurde gesprächig und neugierig. So plauderte er mit Patricia über die Gewohnheiten in Shrublands. »Aber wann findet denn das Personal Zeit für den Lunch?« - »Dieser Lippe sieht recht gesund aus! Ach so,
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