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Feueraugen III. Das Schloss

Feueraugen III. Das Schloss

Titel: Feueraugen III. Das Schloss
Autoren: Alexander Zeram
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Marlènes Puls ebenso anheizt wie den Emma Killmayers.
    "Wenn ihr euch schon all die Mühen gemacht habt, hierher zu kommen, dann solltet ihr nicht auf der Galerie bleiben und so tun, als hätte euch niemand gesehen!"
    "Das ist der Xaber ...?" fragt Rodolphe ganz leise den schreckensstarren Caulk neben sich.
    "Ich bin mir nicht mehr sicher", stottert der zur Antwort. "Er trägt die Kleidung Xaber Dracers ... aber seine Freundlichkeit ... diese sanfte Stimme ... ich, ich weiß wirklich nicht ..."
    "Das könnte Verstellung sein." meint Michel, der Caulks Zweifel mitbekommen hat.
    "Natierlich - 'S werd' Verstellung sein!" Dr. Glücklich schluckt schwer.
    Da stehen sie einander gegenüber: er - ein Wesen, das seinen Weg nicht wirklich zurückzulegen braucht, sondern durch die Kraft der Gedanken vorankommt; sie - Sterbliche, die es in die Sagenwelt verschlagen hat.
    Um sie herum ist das Schloss still geworden. Keine Musik peitscht sie mehr auf - die Sagenwelt atmet gleichmäßig und ruhig.
    Keine Regung mehr!
    Absolute Stille!
    Alleine der Kreisel auf dem Marmorsockel sprüht seine Funkenblitze immer stärker von sich und die Feueraugen darin funkeln wild ... bis der herrliche Teppich im Saal direkt vor dem altarähnlichen Aufbau Feuer fängt, bis ein Stuhl in Flammen steht und das äußerste Ende der Brokatdecke auf der Tafel auflodert.
    "Sie ... der Saal ... der Saal beginnt zu brennen! Herr ... Herr Xaber ... ihr Schloss wird den Flammen zum Opfer fallen, wenn sie ... wenn sie ... nichts unternehmen. Sie ..."
    Baldwin bricht ab und erstarrt - und mit ihm die anderen. Vor ihnen 'steht' zwar noch der Umhang, auch der Federhut, schwebt noch über dem Stehkragen ... die Zigarettenspitze aber liegt am Boden und die Zigarette qualmt vor sich hin.
    Xabrudracaras - Xaber Dracer ... hat sich aufgelöst!
    "Kinder ... ich habe König Maximum Tu Gent, General Monstrum und Kanzler Proz überstanden ... ich bin nicht durchgedreht, als die Dies-Irae-Sänger an uns vorbeizogen und auch nicht, als sich das vermeintliche Schloss Rachass plötzlich ins Nichts auflöste. Ich hab' alles über mich ergehen lassen, aber das ... das ... das halte ich nicht mehr durch!" Baldwin bricht in Tränen aus, sucht Halt und lehnt sich dabei an Zeramov an, der selbst fassungslos vor sich hin starrt und dabei leicht wankt. Langsam hebt dann eine Musik an, die ihnen bekannt vorkommt. Schwere Paukenwirbel und donnerndes Bassgestampfe setzen einen grauenvollen und ergreifenden Rhythmus fest, Hörner und Tuben, Posaunen und Trompeten, unzählige Streicher und Klaviere in tiefen Lagen kommen hinzu ... dann plötzlich beginnt ein Chor zu singen - Tausende und Abertausende von Sängern, die alle das Gleiche verkünden wollen - ein Universum von Menschen, die erkannt haben, wie es um sie bestellt ist.
    Mit unvorstellbarer Wucht singen sie dieses erschütternde Chorwerk und alle erinnern sich:
    Dies Irae!
    Diesmal aber ist es nicht der bekannte Text der Totenmesse, sondern Verse in einer unverständlichen fremden Sprache.
    Mit einem Mal verdunkelt sich alles um sie herum ...
    Dunkel schlägt sie mit bleierner Hand ...
    wischt Gedanken und Gefühle fort ...
    klärt die Aufnahmebereitschaft, die Feinfühligkeit und das Gespür für besondere Momente, für unwiederbringliche Erfahrungen und nie gewesene Erkenntnisse.

-9-  Feueraugen
     
     
    Sie fühlen sich angehoben - weg von der Galerie, aus dem Saal hinaus und weit fort vom Schloss Rachass - hineingestürzt in die Erschütterung und die Erkenntnis aller Generationen vor ihnen. Düsternis umfängt sie erdrückend ... erstickend.
    Winzige Kreisel beginnen sich ganz langsam um sie herum zu drehen - und aus dunkler Unbestimmbarkeit wird lichtes Grau.
    Die eingetretene Stille wird wieder abgelöst von dumpfem Orchesterklang und drohendem, manchmal zu schriller Intensität gesteigertem Gesang - begleitet von wild rotierenden Farbkreiseln, die Funken in alle Richtungen versprühen und dabei größer und größer werden.
    Dieses Mal verstehen sie die Worte - verstehen ohne Verständnis, hören, ohne Klänge zu identifizieren, begreifen ohne Wissen ...
    X a b r u d r a c a r a s
     
    Davon künden die Millionen und Abermillionen, denen es gegeben ist, die Wahrheit an diese Suchenden weiterzuleiten.
    Kalfater und Caulk sehen ein, dass sie einen unverzeihlichen Fehler begangen haben. Oh, den fremden Text hätten sie nie übersetzen können, denn er ist in dieser unwirklichen Sphäre der Sage entstanden und selbst in der
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