Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feueratem

Feueratem

Titel: Feueratem
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
tiefer sie kamen, desto mehr Menschen tauchten auf, die alle auf den Markt zuströmten. Teres wollte sie nicht anstarren, aber das war immer noch besser, als begeistert in die Hände zu klatschen vor Begeisterung. Andere Gesichter! Fremde, die keinem ihrer Verwandten ähnelten. Einige von ihnen hatten Haare, die wie Feuer in der Sonne glänzten; andere trugen seltsame Male auf ihren Gesichtern und Armen, als hätte man sie bemalt. Eine der Frauen hatte die Haare zu einem komplizierten Geflecht hochgesteckt, das ihren Kopf wie eine Krone schmückte und die lange Linie ihres Halses besonders hervortreten ließ; Teres bemerkte, dass sie Ervel einen lächelnden Gruß schenkte, während Turini merkwürdig steif in die andere Richtung blickte.
    Mehrere Fremde wussten die Vogelbeeren, die in Teres’ Haar eingeflochten waren, richtig zu deuten und beglückwünschten sie. Einer von ihnen, der mit einem Wagen voller Blumen unterwegs war, tat so, als ob er eine der Blumen hinter ihrem Ohr entdeckte, und überreichte sie ihr. Selbst wenn er ihre Tante damit ermutigen wollte, Blumen für die gesamte Burg zu kaufen, war es eine liebenswerte Geste, und Teres strahlte über das ganze Gesicht.
    Es gab so vieles zu sehen, was sie noch nie erblickt hatte; angefangen damit, dass man sich aus Weide und Magie geflochtene Schilde vom Clan Amiba kaufte und unter die Füße schnallte, um auf dem Fluss von Boot zu Boot gleiten zu können. Es gab Gaukler, die mit lebenden Fischen jonglierten, und Bäcker, die gezuckerte Rosenblätter verkauften.
    „Ach, könnte der Flussmarkt doch immer hier sein!“, sagte Teres aufgeregt zu Ervel, während sie von einem Stand zum anderen lief und staunte.
    „Darauf würden sich die Clans nie einigen können. Der Flussmarktort wechselt nicht nur ständig, damit keiner bevorzugt wird und allein den Handel kontrollieren kann, sondern auch, weil sonst früher oder später einer der Versuchung erliegen würde, den Waffenstillstand zu brechen und alle anderen auf einen Schlag zu töten.“
    Töten?
    „Aber schau dich doch um“, beharrte Teres und drehte sich im Kreis. „Jeder ist vergnügt! Niemand will Krieg!“
    „Jeder will Handel treiben“, sagte Ervel nüchtern. „Du wirst den Unterschied schon noch begreifen, wenn du nur endlich lernst, den Mund zu halten und zu tun, was dir gesagt wird.“
    „Vielleicht haben wir nur deswegen keinen richtigen Frieden, weil alle nur tun, was andere vorher gesagt haben“, sagte Teres, schnitt ihm eine Grimasse und glitt hastig aus der Reichweite seines Arms.
    Auf Holzschilden über Wasser gehen zu können, war ein wunderbares Gefühl, und sie hätte allein damit den ganzen Tag verbringen können. Leider schien ihre Schwägerin auch Augen auf dem Rücken zu haben. Ganz gleich, mit welchem Händler Turini gerade verhandelte, jedes Mal, wenn Teres es fast geschafft hatte, sich weiter als zwei Boote zu entfernen, rief die ältere Frau durchdringend: „Teres aus dem Clan Dekapa, komm sofort hierher!“
    Teres bewunderte gerade einen Stand, der Netze verkaufte, als wieder einer dieser durchdringenden Rufe ertönte. Ein Junge, der dabei war, Angelzeug zu erwerben, drehte sich unwillkürlich um, verhedderte sich dabei und verlor das Gleichgewicht. Er ruderte hastig mit den Armen, und Teres griff nach ihm, um ihm zu helfen. Da sie längst nicht genügend Übung im Gleiten auf Holzschilden hatte, um eine weitere Person halten zu können, endete es damit, dass sie beide ins Wasser stürzten und unter dem Gejohle der Umstehenden vom Netzverkäufer in sein Boot gezogen werden mussten.
    „Du bist ein Trottel!“, giftete Teres den Jungen an und versuchte, das Wasser so gut wie möglich aus ihrem Kleid zu wringen.
    „Ich bin Sani vom Clan Soschun“, stellte sich der Junge vor. Er war um einiges größer als sie, schlaksig gewachsen und mit Haaren, die – kaum hatte er lachend das Wasser herausgeschüttelt – fedrig in die Höhe strebten, statt wie das ihres eigenen Clans glatt anzuliegen.
    „Ich bin …“, begann sie und wollte gerade ihren Namen sagen, als ihr die Augenfarbe des Jungen auffiel. Sie waren blau, so blau wie der Himmel, und Teres wusste, dass sie noch nicht schönere Augen gesehen hatte. „Ich bin …“
    „Teres vom Clan Dekapa“, ergänzte er, zeitgleich mit einem weiteren Ruf von Turini, die den Sturz ins Wasser bemerkt hatte und bereits in Teres’ Richtung glitt.
    „Das weiß jetzt wohl der ganze Markt“, sagte Teres verlegen. Er lächelte sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher