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Feuer und Eis

Feuer und Eis

Titel: Feuer und Eis
Autoren: Carol Marinelli
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vermutete, dass sie erst kürzlich Gewicht verloren hatte. Sie trug ein gut geschnittenes graues Kostüm, nur saß der Rock ein wenig zu tief auf den Hüften und das Jackett war ein bisschen zu breit für ihre Schultern. Trotzdem besaß sie sinnliche Kurven an den Stellen, auf die es ankam. Er erspähte einen kleinen, wohlgerundeten Po, und als sie das Jackett auszog, gewährte sie ihm dabei – unbewusst – einen kurzen Blick auf herrlich weiche Brüste.
    Sittsam, ja, sittsam war eine passende Beschreibung für Karin Wallis. Sie trug nur wenig Make-up, um ihre feinen Züge zu betonen. Die dichten blonden Haare waren im Nacken zu einem einfachen Knoten zusammengefasst. Der Rock reichte bis über die Knie, die Schuhe waren ein bisschen zu flach, um ihre langen Beine richtig zur Geltung zu bringen. Dennoch besaß sie Anmut und Schönheit.
    Volle fünf Minuten musste Xante vorgeben, sich für eine Zeitung zu interessieren, bis er es endlich für schicklich erachtete, aufzustehen.
    Beschäftigt oder nicht, entschied er, während er auf die Unbekannte zuging, für eine schöne Frau war immer Zeit.
    Karin wusste nicht, weshalb sie überhaupt hier war, geschweige denn, was sie nun tun sollte.
    Vier Wochen waren vergangen, bis ihr aufgefallen war, dass die Rose fehlte. Erst ein langes, unangenehmes Gespräch mit ihrem Bruder hatte die Wahrheit ans Licht gebracht: Matthew hatte das Schmuckstück verkauft.
    Noch immer war Karin fassungslos über diesen Verrat. Ja, der Verkauf eines wertvollen Gemäldes, einer reich verzierten Kommode und einem Paar Ohrringe ihrer Mutter war unvermeidlich gewesen, um das Geld für das Internat aufzubringen, in dem ihre jüngere Schwester gerade ihr Abschlussjahr absolvierte. Aber die Rose? Sie hatte nicht bemerkt, dass sie von Matthew in die Verkaufsdokumente geschmuggelt worden war, die sie persönlich unterschrieben hatte.
    Die mit Rubinen besetzte Anstecknadel war ihrem Großvater in dem Jahr verliehen worden war, als England jedes Rugbyspiel gewonnen hatte. Sie war sein kostbarster Besitz – und Karins ebenso. Immer wieder war sie vor dem Chaos in ihrem Elternhaus geflohen und hatte ein wenig Zeit bei ihrem Großvater in Omberley Manor verbracht, dem Haus, in dem Matthew und sie jetzt wohnten. Unzählige Nachmittage hatte sie den wundervollen Märchen seiner glanzvollen Tage gelauscht. Und an jeden einzelnen erinnerte sie sich voller Liebe und Zuneigung.
    Als sie fünfzehn Jahre alt war, hatte er ihr versprochen, dass die Rose nach seinem Tod ihr gehören würde. Für Karin bedeutete das Schmuckstück die letzte Verbindung zu ihrem Großvater. Außerdem repräsentierte sie alles, was ihre Familie hätte sein können. Und wenn es ihr gelang, die schmerzliche Wahrheit noch einige Zeit vor Emily zu verbergen, mochte sie auch für alles stehen, was ihre Schwester eines Tages sein würde.
    Wochenlang hatte sie nach der Rose gesucht. In einigen Tagen fand in Twickenham ein offizieller Empfang statt, bei dem alte Helden des Rugbysports geehrt wurden. Natürlich wurde erwartet, dass sie die Rose mitbrachte. Nur waren ihre Nachforschungen bislang ohne Ergebnis geblieben. Alles, was sie wusste, war, dass der Käufer seine Anonymität wahren wollte, sodass sie nicht einmal sicher sein konnte, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte.
    Bis heute Morgen.
    Während ihrer Frühstückspause saß sie im Aufenthaltsraum der Bibliothek und las einen Zeitungsartikel über den Beginn des Six Nations Turniers im Februar. Ein kurzer Abschnitt über ein Hotel in Twickenham, in dem die englische Nationalmannschaft wohnen würde, war ihr besonders ins Auge gefallen. Der Eigentümer, ein griechischer Tycoon, besaß eine beeindruckende Sammlung von Devotionalien aus der Rugbywelt, und seine neuste Erwerbung war ihre Rose.
    Karin führte ein ruhiges geordnetes Leben. Dafür hatte sie sich entschieden. Es schien ihr die bessere Wahl zu sein, als sich dem exzessiven und genusssüchtigen Lebensstil hinzugeben, der ihre Eltern letztendlich das Leben gekostet und mittlerweile auch von ihrem Bruder Besitz ergriffen hatte. Im Gegensatz zu ihm, handelte sie nur selten spontan.
    Doch vor einer Stunde hatte sie genau das getan.
    Einen plötzlichen Migräneanfall vorschützend, war sie in ihren Mantel geschlüpft und hatte ein Taxi angehalten. Und jetzt saß sie hier, in der Lounge eines Hotels, in dem sie sich kaum ein Sandwich leisten konnte. Den äußeren Schein zu wahren, bedeutete für die Wallis’ alles, weshalb
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