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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition)
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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Jungfrau. Du fühlst ihr Zittern ...«
    Die Tragödin spürte wieder bis in die Haarwurzeln die Eiseskälte, als ob von neuem die Seele der Blinden sie durchdränge.
    »Am Ende des Vorspiels drückt der Sturm der chromatischen Tonfolgen diese himmelstürmende Freude aus, diese sehnsüchtige Fröhlichkeit... Horch! Horch! ... O des Wunders! Heut morgen, Fosca, heut morgen habe ich gearbeitet ... Und jetzt, jetzt steigt meine eigene Melodie zum Himmel... Sind wir nicht gottbegnadet?«
    Ein Geist des Lebens ging durch die Einsamkeit, ein heftiges Sehnen lag im Schweigen. Es schien, als ob durch die bewegungslosen Linien, durch den weiten Horizont und über die unermeßliche Wasserebene, über das hingestreckte Land gleich einem Erwachen oder gleich der Verkündung einer Heimkehr der drängende Wunsch ginge, emporzusteigen. Die Seele der Frau gab sich ihm völlig hin, wie das Blatt einem Wirbelwind, und wurde auf den Gipfel der Liebe und des Glaubens getragen. Fieberhaft ungeduldige Tatkraft aber, der Drang, zu handeln, und das Bedürfnis, die Erfüllung zu beschleunigen, stürmten auf den jungen Mann ein. Seine Arbeitsfähigkeit schien sich zu vervielfältigen. Er erwog die Fülle seiner kommenden Stunden. Er hatte vor sich den greifbaren Anblick seines Werkes, die Anzahl der Seiten, den Band der Partitur, alle notwendigen Zutaten, den Reichtum des Materials, das geeignet war, den Rhythmus aufzunehmen. Ebenso sah er den quirinischen Hügel, das entstehende Gebäude, die Gleichmäßigkeit der behauenen Steine, die Maurer, die aufmerksam am Werk waren, den gewissenhaften und tüchtigen Architekten, die wuchtige Masse des Vatikan gegenüber dem Theater des Apoll, unten die heilige Stadt. Lächelnd stellte er sich das Bild des kleinen Mannes vor Augen, der mit päpstlicher Freigebigkeit das Unternehmen unterstützte; er grüßte ehrerbietig das blutlose, langnasige Gesicht des römischen Fürsten, der, nicht unwürdig seines Namens, mit dem Golde, das in Jahrhunderten durch Raub und ungerechte Begünstigungen aufgehäuft worden, einen harmonischen Tempel errichtete für die Wiedergeburt der Künste, die das starke Leben seiner Vorfahren mit Schönheit durchleuchtet hatten.
    »Wenn die Gnade mich nicht verläßt, Fosca, werde ich binnen einer Woche mein Vorspiel vollendet haben. Ich mochte es sofort im Orchester probieren. Dazu gehe ich vielleicht nach Rom. Antimo della Bella ist noch ungeduldiger als ich. Fast jeden Morgen bekomme ich einen Brief von ihm. Ich glaube, daß meine Anwesenheit in Rom für einige Tage notwendig sein wird, auch um irgendwelchen Irrtümern beim Bau des Theaters vorzubeugen. Antimo schreibt mir, daß man darüber verhandelt, ob es opportun sei, die alte Steintreppe zu beseitigen, die vom Garten der Corsini zum Gianicolo emporführt! Ich weiß nicht ob dir die Örtlichkeit gegenwärtig ist. Die Straße, die zum Theater führen soll, windet sich, unter dem Arco Settimanio vorüberführend, längs der Seite des Palazzo Corsini, geht durch den Garten und mündet am Fuße des Hügels. Der Hügel – schwebt er dir vor?– ist ganz grün, mit kleinen Wiesen, mit Schilf, Platanen, Zypressen, Lorbeeren und Steineichen bedeckt; er sieht aus wie ein heiliger Hain, von hohen italischen Pinien gekrönt. Auf dem Abhang steht ein wahrer Wald von Steineichen, von unterirdischen Wasserläufen berieselt. Der ganze Hügel ist reich an fließendem Wasser. Links erhebt sich die Fontana Paolina in die Luft. Weiter unten düstert der Bosco Parrasio, der alte Sitz der Arkadier. Eine steinerne Treppe, die durch eine ganze Reihe großer, übersprudelnder Brunnenbecken in zwei Flügel geteilt ist, führt auf einen terrassenförmigen Absatz, in den zwei wahrhaft apollinische Lorbeeralleen münden, die würdig sind, die Menschen der Poesie entgegenzuführen. Wer könnte sich einen vornehmeren Eingang ausdenken? Die Jahrhunderte haben ihn geheimnisvoll überschattet. Der Stein der Stufen, der Balustraden, der Brunnenbecken und der Statuen wetteifert an strengem Ernst mit der Rinde der ehrwürdigen Platanen, die das Alter ausgehöhlt hat. Man hört nichts als Vogelgesang, das Plätschern der Wasserstrahlen und das Rauschen des Laubes. Ach, und ich glaube, daß die Dichter und die Einfältigen hier das Weben der Waldnymphen und den Atem des großen Pan vernehmen können ...«
    Unermüdlich stieg der luftige Chor empor, stieg empor ohne Aufhören, ohne Pause, den Raum mit sich erfüllend, gleich der unermeßlichen Wüste, gleich
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