Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer auf See

Feuer auf See

Titel: Feuer auf See
Autoren: Jack London
Vom Netzwerk:
giftige Dämpfe, die durch die Fugen sickerten, krochen wie böse Geister über das Schiff, stahlen sich in Nasen und Luftröhren der Unachtsamen und verursachten Anfälle von Husten und Niesen. Die Sterne blinkten träge an der dunklen Himmelswölbung, und der im Osten auftauchende Vollmond berührte mit seinen Strahlen die Vielfalt der Büschel, Gewinde und spinnwebfeinen Schleier von Rauch, die sich das Deck entlang über Reling, Masten und Wanten schlangen, wanden und drehten.
    »Sagen Sie«, fragte Kapitän Davenport, sich seine beißenden Augen reibend, »was wurde eigentlich aus der Mannschaft der ‘Bounty’, nachdem sie Pitcairn erreicht hatte. Der Bericht, den ich las, besagte, daß sie das Schiff verbrannten, und daß man sie erst nach vielen Jahren wieder entdeckte. Aber was geschah unterdessen? Ich hätte es immer gern gewußt. Es waren Männer dabei, die den Hals in der Schlinge stecken hatten. Auch einige Eingeborene waren dabei. Und Frauen. Es scheint, daß es gleich nach der Landung Unruhen gab.«
    »Es gab Unruhen«, antwortete McCoy. »Es waren schlechte Menschen. Sie stritten sich gleich um die Frauen. Einer der Meuterer, Williams, verlor seine Frau. Alle Frauen stammten von Tahiti. Seine Frau fiel bei der Jagd auf Seevögel von den Klippen. Da nahm er einem Eingeborenen die Frau weg. Die Eingeborenen wurden dadurch alle sehr aufgebracht, und sie töteten fast alle Meuterer. Dann töteten die Meuterer, die entkommen waren, ihrerseits alle Eingeborenen. Die Frauen halfen ihnen. Und die Eingeborenen töteten einander. Es war ein allgemeines Abschlachten. Es waren schreckliche Menschen.
    Timiti wurde von zwei andern Eingeborenen getötet, die ihm freundschaftlich das Haar kämmten. Die Weißen hatten sie dazu angestiftet. Dann wurden sie selbst von den Weißen getötet. Tullaloo wurde von seiner eignen Frau in einer Höhle getötet, weil sie einen Weißen zum Manne haben wollte. Sie waren sehr gottlos. Gott hatte sein Antlitz von ihnen gewendet. Nach zwei Jahren waren alle Eingeborenen und alle Weißen bis auf vier ermordet. Das waren Young, John Adams, McCoy – mein Urgroßvater – und Quintal. Das war auch ein sehr schlechter Mensch. Einmal biß er seiner Frau ein Ohr ab, nur weil sie nicht genug Fische gefangen hatte.«
    »Was für eine Bande!« rief Mr. König aus.
    »Ja, sie waren sehr schlecht«, bestätigte McCoy und setzte, heiter girrend, den Bericht von Blut und Wollust seiner schändlichen Vorfahren fort. »Mein Urgroßvater entging der Ermordung, um von seiner eigenen Hand zu sterben. Er machte einen Destillierkolben und verfertigte Schnaps aus den Blättern der Tipflanze. Quintal war sein Kumpan, und sie waren beide immer betrunken. Schließlich bekam McCoy Säuferwahnsinn, band sich einen Stein um den Hals und sprang ins Meer.
    Quintals Frau, die, der er das Ohr abgebissen hatte, kam auch durch einen Sturz von den Klippen um. Darauf ging Quintal zu Young und verlangte dessen Frau. Adams und Young hatten Furcht vor Quintal. Sie wußten, daß er sie töten wollte. So töteten sie ihn, zwei gegen einen, mit einem Beil. Dann starb Young. Und das waren ungefähr alle Unruhen, die sie durchmachten.«
    »Das hätte ich mir denken können«, schnaubte Kapitän Davenport. »Es gab ja keinen mehr zum Töten.«
    »Sie sehen, Gott hatte sein Antlitz abgewendet«, sagte McCoy.
    Am Morgen wehte nur noch ein schwacher Hauch aus Osten, und da er damit keine beträchtlichen Fortschritte nach Süden machen konnte, ließ Kapitän Davenport auf Backbord voll und bei aufholen. Er fürchtete sich vor dieser schrecklichen westlichen Strömung, die ihn um so viele Zufluchtshäfen betrogen hatte. Den ganzen Tag und die ganze Nacht dauerte die Flaute, und die Matrosen murrten bei ihrer knappen Ration getrockneter Bananen. Sie begannen die Kräfte zu verlieren und klagten über Magenschmerzen infolge der ausschließlichen Bananenkost. Den ganzen Tag trug die Strömung die ‘Pyrenees’ nach Westen, es gab keinen Wind, der sie hätte nach Süden bringen können. Gegen Mitte der ersten Hundewache sichtete man gerade im Süden Kokospalmen, deren büschelartige Häupter sich über das Wasser erhoben und ein niedrig gelegenes Atoll darunter bezeichneten.
    »Das ist die Taengainsel«, sagte McCoy. »Wir brauchen heute abend Wind, sonst verfehlen wir Makemo.«
    »Was ist aus dem Südostpassat geworden?« fragte der Kapitän. »Warum weht er nicht? Woran liegt das?«
    »Das machen die Ausdünstungen der großen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher