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Feuer auf See

Feuer auf See

Titel: Feuer auf See
Autoren: Jack London
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Lagunen – es sind ihrer so viele«, erklärte McCoy. »Die Ausdünstung macht das ganze Passatsystem zunichte. Sie ist sogar schuld daran, daß der Wind sich dreht und Stürme aus Südwest wehen. Dies ist der gefährliche Archipel, Kapitän.«
    Kapitän Davenport sah den alten Mann an, öffnete den Mund und wollte fluchen, hielt jedoch an sich. McCoys Gegenwart hemmte die Schmähungen, die sich in seinem Hirn regten, und die in seiner Kehle zitterten. Der Einfluß McCoys war während der vielen Tage ihres Zusammenseins gewachsen. Kapitän Davenport war eine Herrennatur. Er fürchtete niemanden, zügelte nie seine Zunge. Aber er war jetzt nicht fähig, in Gegenwart dieses alten Mannes mit den braunen Augen einer Frau und der Taubenstimme zu fluchen. Als Kapitän Davenport sich hierüber klarwurde, gab es ihm einen deutlichen Stoß. Dieser alte Mann war nur ein Nachkomme McCoys, McCoys von der ‘Bounty’, des Meuterers, der dem Strick entflohen war, der seiner in England wartete, des McCoys, der in Pitcairns ersten Tagen mit Blut und Wollust und gewaltsamem Tode eine böse Macht gewesen war.
    Kapitän Davenport war nicht fromm, aber in diesem Augenblick fühlte er einen starken Trieb, sich dem andern zu Füßen zu werfen und – er wußte selbst nicht, was – zu sagen. Es war eine Erregung, die er tief wie einen zusammenhängenden Gedanken empfand, und in unklarer Weise wurde er sich seines eigenen Unwertes und seiner Kleinheit in Gegenwart dieses andern Mannes bewußt, der die Einfalt eines Kindes und die Güte einer Frau besaß.
    Natürlich konnte er sich vor den Augen seiner Offiziere und Mannschaften nicht so demütigen. Und doch wütete der Zorn, der ihm die Schmähungen eingegeben hatte, immer noch in ihm. Plötzlich schlug er mit der geballten Faust gegen die Hütte und rief:
    »Hören Sie, Alter, ich will mich nicht schlagen lassen. Die Paumotus haben mich betrogen, getäuscht und verrückt gemacht. Aber ich will mich nicht ergeben. Ich lasse das Schiff treiben und immer weiter durch die ganzen Paumotus bis nach China treiben, aber ich will einen Platz dafür finden. Und wenn die ganze Mannschaft durchbrennt, ich bleibe. Ich will es den Paumotus schon zeigen. Sie sollen mich nicht zum Narren halten. Der Kasten ist gut, und ich bleibe auf ihm, solange noch eine Planke hält. Hören Sie?«
    »Und ich bleibe bei Ihnen, Kapitän«, sagte McCoy.
    Im Laufe der Nacht wehten leichte, veränderliche Winde aus Süd, und der wütende Kapitän mit seiner brennenden Ladung beobachtete und maß seinen Abstrich nach Westen und ging mehrmals abseits, um leise zu fluchen, daß McCoy es nicht hören sollte.
    Das Tageslicht zeigte im Süden mehrere Palmen, die aus dem Wasser wuchsen.
    »Das ist die Leespitze von Makemo«, sagte McCoy. »Katiu liegt nur fünf Meilen weiter westlich. Das läßt sich vielleicht machen.«
    Aber die Strömung zwischen den beiden Inseln warf sie nach Nordwesten, und um ein Uhr nachmittags sahen sie die Palmen von Katiu über der See aufsteigen und in die See zurücksinken.
    Wenige Minuten später, gerade als der Kapitän entdeckt hatte, daß eine neue Strömung aus Nordosten die ‘Pyrenees’ ergriffen hatte, meldete der Ausguck Kokospalmen in Nordwest.
    »Das ist Raraka«, sagte McCoy. »Wir können es nicht ohne Wind schaffen. Die Strömung zieht uns nach Südwesten. Aber wir müssen aufpassen. Wenige Meilen weiter fließt eine Strömung nach Norden und macht einen Kreis nach Nordwesten. Die würde uns von Fakarava abbringen, und Fakarava ist der richtige Platz für die ‘Pyrenees’.«
    »Sie kann uns bringen, wohin der Teu-will«, bemerkte Kapitän Davenport hitzig. »Wir finden doch noch einen Platz für das Schiff.«
    Aber die Situation hatte jetzt nahezu ihren Höhepunkt erreicht. Das Deck war so heiß, daß es schien, eine Zunahme von wenigen Graden müsse es in Flammen ausbrechen lassen. An manchen Stellen boten selbst die dickbesohlten Schuhe der Mannschaften keinen Schutz, und sie waren gezwungen, zu laufen, um sich die Füße nicht zu verbrennen. Der Rauch hatte zugenommen und war beißender geworden. Alle an Bord litten an entzündeten Augen, und sie husteten und jappten wie eine Schar lungenkranker Patienten. Am Nachmittage wurden die Boote ausgeschwungen und ausgerüstet. Die letzten Pakete mit getrockneten Bananen wurden in ihnen verstaut, ebenso die Instrumente der Offiziere. Kapitän Davenport legte sogar den Chronometer ins Langboot, aus Furcht, daß das Deck jeden Augenblick
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