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Feuer auf See

Feuer auf See

Titel: Feuer auf See
Autoren: Jack London
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die Resolutionsinsel. Wir befinden uns vierzig Meilen hinter der Haoinsel, und der Wind ist uns entgegen.«
    »Dann wollen wir klarmachen, um das Schiff auflaufen zu lassen. Wo ist die Einfahrt?«
    »Es gibt nur eine für Kanus. Aber da wir jetzt wissen, wo wir sind, können wir nach Barclay de Tolley laufen. Es sind nur hundertundzwanzig Meilen von hier, gerade in Nordnordwest. Bei dieser Brise können wir morgen früh um neun Uhr da sein.«
    Kapitän Davenport befragte die Karte und kämpfte mit sich.
    »Wenn wir hier stranden, müssen wir die Fahrt nach Barclay de Tolley ebensogut in den Booten machen«, fügte McCoy hinzu.
    Der Kapitän erteilte seine Befehle, und wieder machte sich die ‘Pyrenees’ auf die Fahrt durch die ungastliche See.
    Und der nächste Nachmittag sah Verzweiflung und Meuterei auf dem rauchenden Deck. Die Strömung hatte zugenommen, der Wind nachgelassen, und die ‘Pyrenees’ war nach Westen abgesackt. Der Ausguck sichtete Barclay de Tolley im Osten, und vergebens versuchte die ‘Pyrenees’ stundenlang, sich dorthin durchzubeißen. Immer schwebten wie durch ein Wunder die nur vom Mastkorb aus sichtbaren Kokospalmen über dem Horizont. Von Deck aus waren sie durch die Krümmung der Erde verborgen.
    Wieder befragte Kapitän Davenport McCoy und die Karte. Makeno lag fünfundsiebzig Meilen nach Südwest. Ihre Lagune war dreißig Meilen lang und die Einfahrt ausgezeichnet. Als aber Kapitän Davenport seine Befehle erteilte, verweigerte die Mannschaft den Gehorsam. Sie erklärten, genug von dem Höllenfeuer unter ihren Füßen zu haben. Dort lag das Land. Wenn das Schiff es nicht erreichen konnte, so konnten sie es in ihren Booten erreichen. Laßt das Schiff doch brennen. Ihr Leben war mehr wert. Sie hatten treu dem Schiff gedient, jetzt wollten sie an sich selber denken.
    Sie stießen den zweiten und dritten Steuermann beiseite, sprangen an die Boote und begannen sie auszuschwenken und zum Niederlassen klarzumachen. Kapitän Davenport und der erste Steuermann näherten sich ihnen mit Revolvern in den Händen, als McCoy, der auf das Dach der Hütte geklettert war, zu sprechen anfing.
    Er sprach zu den Matrosen, und beim ersten Laut seiner taubengleichen, sanften Stimme hielten sie inne, um zuzuhören. Er teilte ihnen seine eigene unaussprechliche Heiterkeit und Ruhe mit. Seine sanften Worte, seine einfachen Gedanken flossen in einem magischen Strom zu ihnen und besänftigten sie gegen ihren Willen. Lange vergessene Dinge fielen ihnen ein, und einige dachten an Wiegenlieder aus der Kindheit, an die Ruhe und die Zufriedenheit, wenn die Mutter sie zu Bett brachte. Es gab für sie keine Sorgen, keine Gefahr, keinen Verdruß mehr in der ganzen Welt. Alles war so, wie es sein sollte, und daß sie dem Lande jetzt den Rücken drehten und wieder in See stachen mit der höllischen Hitze unter ihren Füßen, war eine Selbstverständlichkeit.
    McCoy sprach ganz einfach; aber es war nicht das, was er sprach. Es war seine Persönlichkeit, die beredter war als alle Worte, die er hätte aussprechen können. Es war eine unfaßbar feine und abgrundtiefe Alchemie der Seele – eine geheimnisvolle Ausstrahlung seines Geistes, verführerisch, voll inniger Demut und doch von gebieterischem Zwange. Es war eine Erleuchtung der finsteren Tiefen ihrer Seelen, eine zwingende Macht von Reinheit und Güte, weit größer als die, die in den blanken, todsprühenden Revolvern der Offiziere wohnte.
    Die Männer schwankten widerstrebend, und die getörnten Taue wurden wieder festgemacht. Dann stahlen erst einer und dann der andre und schließlich alle sich linkisch weg.
    McCoys Antlitz strahlte vor kindlicher Freude, als er vom Dach der Hütte herunterstieg. Es gab keinen Aufruhr, hatte nie einen gegeben, denn die glückselige Welt. in der er lebte, hatte keinen Raum dafür.
    »Sie haben sie hypnotisiert«, sagte Mr. König, leise lachend, zu ihm.
    »Die Jungens sind gut«, lautete die Antwort. »Ihre Herzen sind gut. Sie haben eine schwere Zeit hinter sich, haben schwer gearbeitet und müssen es noch tun, bis wir durch sind.«
    Mr. König hatte keine Zeit, um zu antworten. Er erteilte Befehle, die Matrosen sprangen gehorsam, und die ‘Pyrenees’ fiel langsam vom Winde ab, bis ihr Bug in die Richtung von Makemo wies.
    Der Wind war sehr leicht und legte sich fast ganz nach Sonnenuntergang. Es war unerträglich heiß, und vorn und achtern versuchte man vergeblich zu schlafen. Das Deck war zu heiß. um darauf zu liegen, und
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