Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fessle mich!

Fessle mich!

Titel: Fessle mich!
Autoren: Alison Kent
Vom Netzwerk:
verpasst hatte. “Ich bin überzeugt, dass er uns die Lebensversicherung zukommen lassen wollte. Dabei hätte er am besten wissen müssen, dass wir bei Selbstmord keinen Cent davon gesehen hätten. Aber wie viel Weitsicht kann man schon erwarten von einem Mann, der sich in einem Haus voller Kinder hinter unverschlossenen Türen das Gehirn aus dem Kopf pusten will?”
    Und ausgerechnet das jüngste dieser Kinder hatte ihn entdeckt! Leo wagte kaum, sich Macys Entsetzen auszumalen. Ihm wurde speiübel. Trotzdem musste er jetzt das Ende der Geschichte erfahren. “Wie hast du es ihm ausgeredet?”
    Macy antwortete nicht sofort, sondern sah gedankenverloren aus dem Fenster in den für Februar ungewöhnlich freundlichen Tag – und in eine dunkle Vergangenheit. “Gar nicht. Ich war wie vor den Kopf gestoßen und brachte kein Wort heraus. Ihm ging es wohl genauso. Er ließ stillschweigend die Waffe sinken und verstaute sie in der Schreibtischschublade. Dann habe ich das Brett aufgebaut, und wir haben angefangen zu spielen.”
    Sie schluckte. “Wir haben gespielt, bis Mom nach Hause kam und zum Essen rief. Hinterher haben wir weitergespielt, bis ich ins Bett musste. Zu jener Zeit war Dad arbeitslos, also spielten wir jeden Tag, sobald ich von der Schule nach Hause kam. Wir machten die Tür hinter uns zu und spielten und unterhielten uns stundenlang. Auf diese Weise wusste ich, dass er in Sicherheit war.” Macy lächelte versonnen. “Geredet hat eigentlich nur Dad. Das hat ihm anscheinend geholfen, denn nach ein paar Wochen konnte er wieder lachen.”
    “Hat er die Waffe irgendwann noch einmal erwähnt?”, wollte Leo wissen.
    “Nicht mit einem Wort. Seltsam, nicht? Nicht ein einziges Mal haben wir darüber gesprochen, weshalb wir eigentlich dasaßen und spielten.”
    “Wurde der Vorfall jemals bekannt?”, fragte Leo empört. Er bezweifelte insgeheim, ob Macys Vater seine Stelle wirklich wegen der Wirtschaftskrise verloren hatte. Der Mann gehörte doch in die Klapsmühle! Noch im Nachhinein hätte er ihn am liebsten eigenhändig erwürgt. Seiner – jawohl
seiner –
Macy so etwas anzutun!
    “Ich vermute, dass er es meiner Mutter gebeichtet hat, aber erst viel später. Ich habe mindestens ein Jahr lang jeden Tag nach der Schule auf ihn gewartet, damit wir spielen konnten. Da hatte er schon längst eine neue Stelle und kam oft erst spät nach Hause. Meistens war ich dann bereits in seinem großen Schreibtischsessel eingeschlafen.”
    “Und warst halb tot vor Angst, nehme ich an.” Leos Respekt vor der kleinen Frau mit dem großen Herzen war inzwischen grenzenlos.
    “Oh ja. Ich hatte zwar bemerkt, dass es ihm besser ging, aber trotzdem befürchtete ich immer das Schlimmste, wenn ich aufwachte und niemand bei mir war, wenn ich nur meinen eigenen Atem hörte.” Macy schluckte, und Leo nickte mitfühlend. “Ich wusste, wo er den Schlüssel für die Schublade aufbewahrte, in der er den Revolver versteckt hatte, und sah jeden Tag nach, ob er noch da war. Schließlich hat er mich dabei ertappt. Das war das einzige Mal, dass mein Vater in Tränen ausbrach.”
    Macy schlang die Arme um ihren Oberkörper und wiegte sich sanft hin und her. Leo hätte sie gerne an sich gezogen, aber er wollte sie jetzt nicht unterbrechen. “Er nahm mich auf den Schoß und drückte mich ganz fest an sich, und wir haben geweint. Am nächsten Tag sind wir gemeinsam losgezogen und haben die Waffe verkauft.” Sie verstummte.
    “Und weiter?”
    “Das war’s.”
    “Das war’s?” Leo war baff. “So kann man mit einem kleinen Kind doch nicht umspringen!” Aber es erklärte vieles: Für das kleine Mädchen bedeutete Spiel Sicherheit. Daran hatte sich auch nichts geändert, als das Kind erwachsen geworden war. Wo hatte er nur seine Augen gehabt? Wochenlang hatte er mit Macy gelebt und nicht erkannt, wie stark und wie praktisch veranlagt sie war. Die ganze Zeit über hatte er sie beobachtet und doch keine Ahnung gehabt, mit wem er es zu tun hatte und in wen er sich da verliebt hatte.
    “Ich erwarte nicht, dass du das verstehst”, entgegnete Macy trotzig. Sie nahm ihre Tasche und schlang sich den Schal um die Schultern. “Mit unserer Schnitzeljagd hat das eigentlich nichts zu tun, das wirst du wohl bemerkt haben. Ich mag dich, Leo. Falsch, ich empfinde viel mehr für dich. Aber ich bin noch nicht bereit. Ich könnte mich ändern, aber ich will es nicht. Ich bin mit mir zufrieden, so wie ich bin. Wie viele Menschen können das schon von sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher