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Ferne Tochter

Ferne Tochter

Titel: Ferne Tochter
Autoren: Renate Ahrens
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den Kontakt zu dir wieder aufzugeben.«
    »Haben wir Kontakt?«
    »Immerhin sitzen wir hier zusammen.«
    »Nur, weil Fabian deinen Brief gelesen hat. Es war seine Idee, nach Rom zu fahren.«
    Ich habe es geahnt, und trotzdem spüre ich einen Stich.
    »Gestern Abend haben wir uns gestritten. Er hat nicht verstanden, warum ich nicht länger bei euch geblieben bin. Er wollte auch, dass ich mit dir telefoniere. Aber ich war so wütend, so unglaublich wütend auf dich, auf deinen Mann, auf euer Leben hier. Ich wäre am liebsten sofort nach Hamburg zurückgefahren. Da hat Fabian dann nicht mitgemacht.« Sie zieht an ihrer Zigarette. »Er hatte in unserem Reiseführer etwas über den Campo dei Fiori gelesen und wollte da unbedingt hin. Schließlich hat er mich überredet, hier einen Rotwein zu trinken.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Er guckt sich das Kolosseum an.«
    Am Himmel sammeln sich immer mehr Wolken, gleich wird es anfangen zu regnen.
    »Mir ist kalt«, sage ich. »Wollen wir uns nicht doch in ein Café setzen?«
    »Da kann ich nicht rauchen.«
    »Dann gehen wir ab und zu vor die Tür.«
    »Na, gut.« Tessa sieht auf die Uhr. »Wo willst du hin? In eines der Cafés hier am Platz?«
    »Nein, ins Caffè della Pace. Es ist nicht weit.«
    Wir überqueren den Corso Vittorio Emanuele  II . Tessa läuft schnell.
    Ich zeige ihr die Pizzeria in der Via del Corallo.
    »Hier habe ich drei Jahre lang gekellnert.«
    »Aha …«
    »Das war mein erster Job in Rom. Der hat mich gerettet.«
    Wir erreichen das Caffè della Pace, setzen uns an einen Tisch am Fenster, bestellen zwei Milchkaffee. Die Haut an Tessas rechtem Nasenflügel ist nicht mehr entzündet.
    »Was machst du jetzt beruflich?«
    »Ich restauriere Fresken. Also, Wandmalereien, bei denen die Farbe auf den frischen, feuchten Kalkputz aufgetragen wurde.«
    »Wie alt sind die?«
    »Das Fresko, an dem ich zurzeit arbeite, ist Ende des fünfzehnten Jahrhunderts entstanden. Eine Verkündigung von Filippino Lippi. Da erfährt Maria vom Erzengel Gabriel, dass sie schwanger ist.«
    »Bist du religiös?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Aber Engel mag ich. Papa hat früher immer zu mir gesagt, dass Mama mein Schutzengel sei …«
    Wir schauen uns an.
    »Du weißt, dass sie tot ist, oder?«
    Ich nicke, würde gern Tessas Hand nehmen, ihr etwas Tröstliches sagen.
    In dem Moment steht sie auf. »Ich gehe eine rauchen.«
    »Ich komme mit.«
    Sie winkt ab. »Bis gleich.«
    Durchs Fenster sehe ich, wie sie telefoniert und sich eine Zigarette anzündet. Der Regen scheint sie nicht zu stören.
    Zehn vor elf. Wann endet der späte Vormittag?
    Ich wünschte, ich könnte ihr die Verkündigung zeigen.
    Ein paar Minuten später ist sie wieder da.
    »Ich habe mit Fabian verabredet, dass wir uns um halb zwölf am Largo Argentina treffen. Da soll es eine Bushaltestelle vor einer Buchhandlung geben, an der er halten kann.«
    »Feltrinelli.«
    »Kann sein. Wie lange laufen wir dorthin?«
    »Höchstens eine Viertelstunde. Du bist ja schnell.«
    »Bin ich das?«
    »Ja. Machst du viel Sport?«
    »Hm …«
    »Was?«
    »Joggen, boxen, fechten, tanzen.«
    »Wie bekommst du das alles unter einen Hut?«
    »Gehört zu meiner Ausbildung. Ich bin an der Schauspielschule in Hamburg.«
    Etwas in meinem Innern macht einen kleinen Sprung. Schauspielerin. Auf den Gedanken wäre ich nie gekommen.
    »Deshalb müssen wir heute die Nacht durchfahren. Ich habe morgen früh um neun Gesangsunterricht.«
    »Macht dir die Ausbildung Spaß?«
    »Ja, aber sie ist ziemlich hart.«
    »Wird Fabian auch Schauspieler?«
    »Nein, der studiert Germanistik und Politik.« Sie sieht wieder auf die Uhr. »Lass uns gehen.«
    Ich gebe der Kellnerin ein Zeichen.
    Sie kommt, um zu kassieren, wirft einen Blick auf Tessa und meint schmunzelnd, dass wir unverkennbar Mutter und Tochter seien.
    »But she isn’t really my mother«, antwortet Tessa und steuert auf den Ausgang zu.
    Es hat aufgehört zu regnen. Wir laufen los. Um zwanzig nach elf erreichen wir den Largo Argentina.
    Vor der Buchhandlung stehen zwei Busse. Kurz darauf hält dahinter der alte, rote Renault.
    Ein junger Mann mit braunen Locken steigt aus und kommt auf uns zu.
    Er streckt mir die Hand entgegen. »Fabian Herzog … Guten Tag.«
    »Tag, Fabian.«
    Er legt den Arm um Tessas Schultern und gibt ihr einen Kuss. »Dass ihr euch so ähnlich seht, hätte ich nicht gedacht.«
    Sie zuckt mit den Achseln.
    »Ich danke Ihnen, dass Sie mit Tessa nach Rom gekommen sind.«
    »War
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