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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind
Autoren: Patrycja Spychalski
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ob es richtig ist, was ich tue. Wahrscheinlich nicht, aber andererseits glaube ich manchmal auch ein wenig an Schicksal. Wenn ich ihn nicht hätte finden sollen, dann hätte ich das auch nicht getan. Vielleicht ist es eben meine Aufgabe, eine Geschichte zu schrieben über diese kleine, alte Frau. Die Vorstellung tröstet mich, so als würde ein Teil von Irmi von nun an immer bei mir bleiben.

»WAS WIRD JETZT eigentlich aus uns? Also dann … also später … bald schon, wenn das alles hier vorbei ist?«, frage ich Martin, während wir wieder mal am Strand sitzen, an unserem Bier nippen und auf diesen romantischen Sonnenuntergang starren.
    »Gott! Ich dachte schon, du fragst nie!« In Martins Stimme ist Erleichterung zu hören.
    »Ich wollte dich nicht stressen«, sage ich etwas schüchtern.
    »Und ich warte die ganze Zeit wie ein Bekloppter, dass du endlich fragst, damit ich dir sagen kann, dass ich ab Oktober bei dir um die Ecke ein Kunststudium anfange.«
    »In Berlin?« Mein Herz droht zu zerbersten.
    »An der Hochschule der Künste. Jawohl!« Martins Grübchen können nicht mehr tiefer werden.
    Ich starre ihn an und bringe kein Wort raus.
    »Sag doch was.« Martin zupft an meinem Pulli.
    Mein ganzer Körper kribbelt, mein Kopf schwirrt. Ich fummel das Etikett von der Bierflasche ab und zerknülle es nervös zwischen den Fingern. »Ich kann das nicht glauben. Ich denke, du verarschst mich«, nuschel ich leise.
    »Ich bin schon nächsten Monat in Berlin, um mir ein paar WGs anzuschauen. Das sollte eine Überraschung werden. Ich musste mich echt so was von zusammenreißen, dir nichts zu verraten. Also … tadah! Überraschung!«
    Ich stelle die Flasche ab, nehme sein Gesicht zwischen meine Hände und küsse ihn, lange. Als ich ihn wieder freigebe, lehnt Martin sich zurück und leckt sich über die Lippen. »Heißt das, dass du dich freust?«
    »Wie blöd!«, platzt es aus mir heraus.
    »Das ist gut. Komm her!« Er zieht mich zu sich in den Sand und umarmt mich ganz fest. »Aber soll ich dir was sagen?« Martin küsst mein Haar. »Selbst wenn du sonstwo wohnen würdest – ich hätte den Weg zu dir schon gefunden. Berlin macht natürlich alles viel einfacher.«
    Ich richte mich auf und werde plötzlich nachdenklich. Werde ich denn überhaupt in Berlin bleiben? Wird mein Leben mich dort halten? Ein Jahr in jedem Fall noch. Aber danach? Ein Jahr ist lang. Es gibt keinen Grund, jetzt schon so weit zu denken. Ist doch toll, so wie es jetzt ist, und das Schicksal hat es gut mit mir gemeint.
    »Wenn mein Vater hört, dass ich mir einen Kunststudenten geangelt habe, flippt der voll aus!« Ich kichere.
    »Hätte es eher ein Anwalt sein sollen?« Martin macht ein seriöses Gesicht.
    »Ein Arzt, Informatiker, BWL-Heini.«
    »Eltern müssen wahrscheinlich so denken. Was glaubst du, wie meine Mutter ausgeflippt ist. Nicht nur, dass ihr Sohn auf leeren Blättern rumkritzelt, jetzt fährt er auch noch in die verkommene dunkle Großstadt.«
    »Ich werde dich beschützen.«
    »Ich bin froh, dass du dich freust, dass ich nach Berlin komme.«
    »Machst du Witze?«
    »Ich war mir nicht sicher.« Er beugt sich über mich und sieht mir in die Augen.
    »Ich werde in meiner Klasse mit dem Kunststudenten angeben.«
    Martin fasst sich theatralisch ans Herz. »Also werde ich nur benutzt?«
    Ich küsse ihn. »Natürlich.«
    Wir albern noch eine Weile herum, trinken unser Bier aus und ich lege meinen Kopf in Martins Schoß. Komisch, wie alles andere in den Hintergrund rückt. Das kann auf jeden Fall kein Dauerzustand bleiben, man kommt ja sonst zu nichts. Aber jetzt und hier könnte die Zeit auch einfach stillstehen. Wen kümmert’s?

ÜBERRASCHENDERWEISE LÄDT MAX uns am letzten Tag alle zum Essen ein.
    »Henkersmahlzeit«, witzelt Rocco.
    Ein Grillabend ist geplant. Bratwürste für alle und Grillkäse für die Spezis, wie Max so schön mit einem Seitenblick auf Martin sagt.
    Etwas angespannt trudeln wir fünf auf der Veranda ein. Wir lächeln höflich und treten unschlüssig von einem Bein aufs andere. Keiner von uns traut sich, die Plastikstühle zu besetzen. Stattdessen klimpern wir mit den Eiswürfeln in der selbst gemachten Zitronenlimonade, die Max’ Frau Britta uns in die Hand gedrückt hat. Sie ist erstaunlicherweise ein richtiger Sonnenschein. Das hätte ich nicht gedacht. Gut gelaunt steckt sie Käsestückchen und Weintrauben auf Zahnstocher. Für den kleinen Hunger. Ruth bietet ihre Hilfe an.
    »Schatz. Setz dich und streck alle
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