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Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Titel: Ferien mit Mama und andere Katastrophen
Autoren: Petra Kasch
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absolut keine Ahnung hat. Ich wusste ja nicht, was drinnen im Kloster passiert war. Aber ich wusste, dass ich genau deshalb nicht mit hatte reinwollen.
    Auf der Rückfahrt zum Hotel hockten alle schweigend auf ihren Plätzen. Die Klimaanlage röhrte auf Hochtouren. Keiner der Lehrer wollte noch irgendwas vom Reiseleiter wissen. Nicht, wann die Türken Kreta besetzt hatten, und auch nicht, was die Nazis hier wollten. Nichts. Nada. Alle waren total erledigt von der Hitze. Wenigstens die Sonne war auf meiner Seite.
    Es war nur noch nicht ganz raus, auf welche Seite Zadek sich geschlagen hatte. Ich schaute mich nach ihm um. Er saß jetzt allein auf der letzten Bank und hypnotisierte sein Handy. Aber Kreta schien ein einziges Funkloch zu sein, Verbindung zum Heimatplaneten nicht möglich.
    Der Oberknaller kam dann beim Aussteigen. Der Reiseleiter verkündete fröhlich, dass nach dem Essen ein Kennenlernabend stattfinden würde. Dabei zwinkerte er Mama verschwörerisch zu. Die Studienräte lächelten müde. Der Einzige, der hier wen kennenlernen wollte, war der Reiseleiter. Und zwar meine Mutter. Aber ohne mich.

Als wir oben in unserem Zimmer waren, rannte ich schnurstracks ins Bad und schloss mich ein. Reichte es nicht, dass Zadeks Tarnung gleich aufflog? Musste ich auch noch dabei sein?
    »Mensch, Sophie«, rief Mama gegen das Rauschen der Dusche, »Wolfgangs Idee ist doch super!«
    Ich stellte mich taub. Sollte sie doch zu ihrem Kennenlernabend gehen. Ich blieb hier. Der Typ hieß jetzt also nicht mehr Herr Kubasch, sondern bereits Wolfgang. Gehörte das etwa auch zu ihrem Sophie-Fischer-Bildungsplan?
    Ich entstamme nämlich einer Kellner-Dynastie. Oma Inge gehörte wie Mama zur Bahnhofsklasse, Onkel Rudolf hatte sich auf Hafenkneipen spezialisiert. Mein Urgroßvater bediente sogar den König von England im Adlon und Ururgroßvater Leopold war Leibdiener von Friedrich dem Großen. Doch ich, Sophie Fischer, Schülerin des Einstein-Gymnasiums, soll der Welt beweisen, dass die Fischers auch studierte Leute hervorbringen können und nicht nur Bedienpersonal. Ach, Mama. Kellner ist doch auch ein schöner Beruf!
    Schließlich hielt ich es nicht mehr aus unter der Dusche und drehte den Wasserhahn zu. Als ich die Badtür wieder öffnete, sah ich Mama traurig auf dem Bettrand hocken. Allein würde sie nicht hingehen, das wusste ich. Wahrscheinlich würden wir nun auf dem Balkon Mensch ärgere dich nicht spielen. Aber da musste sie eben durch. Und ich auch.
    Während Mama in die Dusche schlurfte, setzte ich mich in mein Handtuch gewickelt auf den Balkon. Keine fünfzig Meter vom Hotel entfernt rauschte das Meer. Und was für eins! Ich starrte sehnsüchtig auf die wahnsinnsblaue Farbe. Das würde mir Luise niemals glauben: Jetzt waren wir schon einen ganzen Tag hier und noch nicht ein Mal darin geschwommen! Deswegen waren wir doch eigentlich hergekommen. Wir wollten Ferien am Meer machen, das erste Mal in meinem Leben richtige Ferien. Aber nun war alles anders und total doof.
    Mir wurde plötzlich trotz der Hitze kalt, und ich wollte mich schon anziehen gehen, als ich ein seltsames Geraschel hörte. Vor unserem Balkon standen einige alte Eukalyptusbäume, die den Pool und die Liegen, die um diesen herum aufgestellt worden waren, beschatteten. Und in einem dieser Bäume hockte Zadek und schaukelte auf einem Ast hin und her. Ich fiel vor Lachen bald vom Balkon. Was um alles in der Welt machte er da?
    Plötzlich hörte ich ihn eindringlich mit jemandem reden. Hockte da etwa noch einer? Ich beugte mich über das Geländer. Da sah ich Zadeks Hand aus dem Blättergewirr hervorschießen und wild sein Handy schwenken. Mein Mathelehrer suchte wohl wieder Empfang. Das mochte der Ast aber gar nicht. Gab das ein Getöse, als Zadek samt Ast in den Pool klatschte und unterging! Neugierig hielt ich Ausschau. Schließlich tauchte er prustend und fluchend wieder auf.
    »Nun zieh dich endlich an!«, rief Mama aus dem Bad. »Ich will nicht auch noch das Beste an diesem Tag verpassen. Es gibt Büfett.«
    Das wollte ich auch nicht, ich hatte einen wahnsinnigen Hunger. Aber das Beste an diesem Urlaub war eindeutig der Balkon.

Ich weiß nicht, wie diese Lehrer es schafften, immer und überall die Ersten zu sein. Entweder lag es an dem bevorstehenden Kennenlernabend oder der Aussicht auf kostenlose Cocktails – jedenfalls benahmen sich alle total aufgekratzt und schwatzten wild durcheinander. Ganz anders meine Mutter, die still auf ihrem Stuhl hockte
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