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Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Titel: Ferien mit Mama und andere Katastrophen
Autoren: Petra Kasch
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immer schlecht wird. Aber nach einer Stunde Fußmarsch durch die staubige Hitze hatte ich einfach keine Kraft mehr, ihr böse zu sein. Ich nippte müde an dem Rest lauwarmen Wassers, der noch in der Flasche war.
    Dabei erzählte Mama mir die Geschichte von Zeus, als Wiedergutmachung sozusagen. Sie weiß alles über Götter, ob mit zwei oder zehn Buchstaben. Wir hätten uns diesen Grotten-Trip also komplett sparen können.
    Dass Zeus eines Tages der oberste olympische Gott wurde, verdankte er nur seiner Mutter. Sein Vater hatte nämlich Angst, seine Kinder würden ihn eines Tages entmachten. Deshalb verschlang er sie alle. Als Zeus geboren wurde, schob seine Mutter seinem Vater deshalb zur Täuschung einen in Windeln gewickelten Stein unter und versteckte den Knaben in der Höhle, an der wir jetzt hockten. Ein paar Nymphen zogen Klein-Zeus dann heimlich mit Ziegenmilch auf. Schöne Sitten hatten die damals.
    Als die Lehrer genug von ihrer Erkundung hatten, ging es wieder zum Bus zurück. Unterwegs kehrten wir in einer kleinen Taverne ein. Mama und ich saßen allein am Tisch. Mit uns wollte niemand etwas zu tun haben. Mir war das ja recht, aber Mama tat mir leid. Sie gab sich echt Mühe, aber gegen zwölf Studienräte auf einmal anzukommen, ist nicht leicht. Die meisten sahen wahrscheinlich einfach nur Mamas Haare und glaubten gleich Bescheid zu wissen.
    Aber einer älteren Dame musste ich wohl leidgetan haben. Sie kam an unseren Tisch und stellte sich vor. »Ich bin Margarete Potzgalski. Geht es Ihrer Tochter schon besser, Frau Fischer?«
    Margarete war echt in Ordnung. Sie bot mir und Mama ihren Busplatz in der ersten Reihe an. Sie war Spanischlehrerin und ihr Mann machte in Hamburg in Latein und Alt-griechisch. Am Nachmittag klärten wir dann noch die Frage »Sind die Kreter gläubig?«.
    Zadek hatte sich inzwischen von uns abgeseilt, was mir sehr recht war. Er simste dauernd mit seinem Handy herum. Irgendwie sah er nicht gerade glücklich aus. Aber ging es mir besser? Charlotte lag nun schon einen halben Tag am Strand!
    Während sich alle anderen das Kloster anschauten, setzte ich mich draußen zwischen zwei Säulen in die Sonne und baumelte mit den Beinen. Es war so angenehm, nicht mehr die ratternde Stimme des Reiseleiters zu hören. Mama hatte sich den Lehrern angeschlossen. Kein Gramm der kostbaren Bildung sollte ungehört bleiben. Sie wollte mir später berichten. Von mir aus.
    Ich döste auf den heißen Steinen und stellte mir vor, wie ich nach den Ferien braun gebrannt die Klasse betreten würde. Da hörte ich ein leises Geräusch. Durch den schattigen Wandelgang kam eine alte Frau in langen schwarzen Tüchern geschwebt. Ihr verwittertes Gesicht sah aus wie Baumrinde.
    »Hekate?«, flüsterte ich. Als ich klein war, habe ich oft gebetet, dass Neptun alle Meere austrinkt, damit die Schiffe nicht weiterfahren können. Hat aber nicht funktioniert. Vielleicht ist Neptun für flüchtige Väter nicht zuständig. Oder es lag an dem vielen Wasser. Aber bei Hekate war ich doch bei der Zaubergöttin vom Dienst, da konnte eigentlich nichts schiefgehen. Ich wünschte mir so heftig, dass ich nicht mehr auf diese langweiligen Ausflüge mitmusste, dass mir der Schweiß die Schläfen hinunterlief.
    Während ich in Gedanken auf meine Strandliege davonschwebte, kam Mama freudestrahlend aus dem Kloster.
    »Hast du die alte Frau gesehen?«, flüsterte ich, noch benommen von meiner göttlichen Begegnung.
    »Welche Frau denn?«
    »Na, die in den langen schwarzen Tüchern!«
    Mama legte ihre Hand auf meine Stirn. »Ist dir immer noch übel, Schatz?«
    Nun kamen auch die anderen aus dem Kloster, allen voran der Reiseleiter, dessen Gesicht leuchtete wie eine reife Tomate. Mama grinste. Na super, dachte ich. Hat sie wieder einen um ihren Finger gewickelt. Darin ist sie nämlich Weltmeisterin. Eigentlich war mir das egal, doch als ich den Reiseleiter flöten hörte: »Ulrike, über das minoische Klosterleben müssen wir uns aber noch einmal unterhalten«, wusste ich, dass es mir lieber nicht egal sein sollte. Begann Mama jetzt etwa gemeinsame Sache mit diesem Wandertrupp zu machen? Ich schaute sie finster an.
    »Sophie, jetzt mach doch nicht so ein Gesicht«, sagte sie. »Wir sind in den Ferien.«
    »Eben«, presste ich hervor.
    »Was denkst du, wie interessant es drinnen im Kloster war«, erwiderte sie.
    Interessant ist ein absolutes Signalwort. Wenn Mama etwas »interessant« findet, dann hat man sie bei etwas erwischt, von dem sie
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