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Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Titel: Ferien mit Mama und andere Katastrophen
Autoren: Petra Kasch
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Tarnkappe auftreiben konnte, dann würden das die fürchterlichsten Ferien meines Lebens werden. Vielleicht sollte ich es mal mit dieser Hekate versuchen. Mama hat sie ja auch Glück gebracht.

Wahrscheinlich hätte ich diese Göttin auf Knien und in Alt-griechisch anflehen müssen, aber mit Fremdsprachen habe ich es nicht so. Jedenfalls war die Dame eindeutig nicht auf meiner Seite, als ich am nächsten Morgen zusammen mit Mama den Frühstücksraum betrat.
    Die Studienräte lächelten uns milde zu, als wir am Büfett erschienen. Mann, wir hatten uns aber auch echt schön gemacht. Ich hatte sogar ein Kleid angezogen, Mama zuliebe. Die hatte ihre höchsten High Heels angeschraubt, und weil wir schließlich in den Ferien waren, hatte sie ihren Haarspangen auch eine Runde Freizeit verordnet. Als sie ihren Teller zu einem der freien Tische balancierte, wallten ihre langen blonden Haare wie Loreleys Mähne um sie. Es war unmöglich, mit ihr nicht aufzufallen.
    Ich stolperte mit gesenktem Kopf hinter ihr her. Vielleicht war Zadek ja in der Nacht wieder abgereist, überlegte ich. Seine Mutter könnte zum Beispiel gestürzt sein. Liebe Hekate, so ein kleiner Sturz ist für dich doch höchstwahrscheinlich ein Klacks. Ich werde von jetzt an auch immer meine Hausaufgaben machen.
    Als ich es endlich wagte hochzuschauen, starrte ich in unzählige Augenpaare, die uns eindringlich musterten. Ich versuchte zu lächeln, doch niemand lächelte zurück. Es war kurz nach sieben. Kein Mensch hatte diese Leute hier gezwungen, so früh aufzustehen. Keine Ahnung, warum sie dann alle so schlecht gelaunt waren. Ich aß wie eine Verrückte, nur um mich irgendwie zu beschäftigen. Mein Mathelehrer war nirgendwo zu entdecken.
    Um sieben Uhr fünfzehn kam der Reiseleiter hereingestürmt. In seinem strahlend weißen Hemd sah er noch brauner aus als am Tag zuvor auf dem Flughafen. »Also, meine Herrschaften«, rief er in die Runde. »In zehn Minuten ist Abfahrt!«
    Mama und ich schauten uns fragend an. Wir wollten nirgendwohin abfahren, wir wollten an den Strand und uns sonnen. Wozu flog man denn sonst nach Kreta?
    Mr Wanderstudium kam an unseren Tisch. »Aber Sie kennen doch das Programm, Frau Fischer.« Er schielte etwas ungläubig auf Mamas High Heels.
    Mama schüttelte den Kopf. »Wir sind doch das Kreuzworträtsel«, flüsterte sie.
    Der Mann schüttelte nun ebenfalls den Kopf und ein Hauch von seinem scharfen Rasierwasser haute mich fast vom Stuhl. Schließlich kramte er in seinem ledernen Rucksack und zog einen kleinen bedruckten Zettel hervor. »In zehn Minuten vorm Hotel. Bitte pünktlich, die Damen.«
    Und dann marschierte er mit den Studienräten, die allesamt schon wild entschlossen in ihren Wanderschuhen steckten, aus dem Frühstücksraum.
    Stockend las Mama den Zettel vor: »Heute fahren wir zur Lassíthi-Hochebene und wandern über einen alten Eselsweg hinauf zur Zeusgrotte, wo der Göttervater das Licht der Welt erblickte. Anschließend Besuch eines Klosters. In einem Gespräch mit den Nonnen erfahren wir etwas über das Klosterleben und die Frage: Sind die Kreter gläubig?«
    »Mama, ich will baden«, jammerte ich und dachte an Charlotte, die sicher schon längst in der Sonne lag.
    Doch Mama bekam plötzlich diesen komischen Ausdruck im Gesicht. Den hat sie auch immer, wenn sie noch eine Nachtschicht extra schiebt, damit ich mit auf Klassenfahrt kann. »Ein bisschen Kultur hat noch keinem geschadet«, sagte sie und scheuchte mich vom Tisch hoch.
    Super Ferien, dachte ich und schaute wütend auf die Muscheluhr, die über dem Büfett hing. Doch wenn wir nicht schon wieder unangenehm auffallen wollten, mussten wir uns beeilen. Mama zog ihre Highheels aus und rannte barfuß die Treppe zu unserem Zimmer hoch.
    Aber wir waren einfach nicht auf Hochland-Trekking eingestellt. Mir blieb nichts anderes übrig, als meine neuen Sandalen anzuziehen, und Mama hatte leider nur Badelatschen dabei. Im Rausrennen schnappte ich noch unsere Strohhüte und so kamen wir atemlos am Bus an.
    Es saßen natürlich schon alle drin und guckten grimmig aus den Fenstern.
    »Los, letzte Bank«, raunte Mama mir zu.
    Ich quetschte mich mit den Sonnenhüten an den Studienräten vorbei. Aber die Idee mit der letzten Bank hatte schon ein anderer gehabt. Da saßen wir dann also zu dritt: Mama, mein Mathelehrer und dazwischen ich.
    »Guten Morgen«, sagte Mama fröhlich zu ihm und fächelte sich frische Luft zu.
    »Morgen«, murmelte er und starrte auf den Boden.
    Mama
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