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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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und Schönes für mich erblühen wird, werde ich es zusammenfließen lassen mit ihrem schönen, geliebten, schwer gekränkten Bilde, und dieses Bild werde ich treulich durch mein ganzes Leben tragen. Es ist gut, daß Lothar um mich ist, dieses kräftige dichterische Herz - - es wird schon Alles gehen!! Lebe wohl, lebe tausendmal wohl!
     

15. Liebfrauenschuh
     
    Aussee, 15. August 1834.
    Es ist heute Sonntag und auch nicht mehr viel davon übrig. Ich will ihn größtentheils zum Schreiben an Dich verwenden. Wir fuhren von Steier bis Kirchdorf, um von dort Abends im Mondscheine nach Scharnstein zu gehen. Die zwei andern Begleiter unserer Reise sind ein junger Doctor der Arzneikunde, Joseph Knar und Isidor Stollberg (kein Verwandter der Grafen). Wir blieben fast einen ganzen Nachmittag in Kirchdorf. Lothar malte das Kremsthal, und Isidor und ich saßen im Schatten der Apfelbäume bis fünf Uhr; da kam Lothar wieder und der Aufbruch wurde beschlossen; aber es fehlte der Doctor. Auf der Kegelbahn war er gesehen worden; auch in der Wirthsstube, im Hofe, selbst im Stalle - und jetzt war er nirgends zu finden. Erst um sechs Uhr kam er mit leuchtenden Augen und erzählte, daß er beim Wirthe Brunmaier gewesen - ein Reisewagen habe ihn hingelockt, der auf der Gasse stand und prächtig war. Eine blutjunge Dame mit nur einem Diener habe im Wirthsgarten gewartet, bis ihre zwei Begleiter, die zu gewissen Eisenwerken in das Thal gegangen waren, zurückkämen; - mit dieser Dame habe er bis jetzt streiten müssen und habe sich in sie verliebt. Der Doctor ist ein drolliger, sehr lustiger Mensch. Er ahnt nicht im leisesten mein schweres trauriges Herz; er schwor daher lachend, er wolle den härtesten Eid ablegen, daß die Hexe Witz habe, und unter den braunsten Haaren die dunkelblauesten Augen - ja, sie seien fast veilchenblau, was zwar gesetzwidrig sei; denn in der ganzen Zoologie kämen keine solchen vor; aber sie habe sie, und sei selbst ein Muster der unfolgerichtigsten Unlogik..
    In Scharnstein - ich habe Dir einmal gesagt, daß ich einen Menschen habe, der mir überall begegnet - einen Engländer hieß ich ihn - in Scharnstein saß er in der Wirthsstube, als wir eintraten. Ich erschrak fast über diese seltsame Laune des Zufalls; später aber knüpfte ich sogar ein Gespräch mit ihm an und fand ihn gar nicht so übel, und als er unsern Reiseplan erfuhr, so trug er sich zum Begleiter an, wenn wir es nicht übel nähmen. Es wurde einmüthig angenommen.
    Wir brachen zeitlich Morgens auf, natürlich Alles zu Fuß. Lothar wird von Stunde zu Stunde herrlicher: wie die reine Alpennatur in seine Seele fällt, so breitet er sie himmlisch aus auf seiner Leinwand. Jede Studie, von der man meint, sie sei die beste, wird von ihrer Nachfolgerin übertroffen - und er wird schwärmerisch begeistert für die Berge und Wolken und Seen, wie für eine Jugendgeliebte.
    Ein schöner Augenblick war es am Freitag Nachmittag, da das kleine Thal von Habenau skizzirt wurde. Der Platz ist wunderbar lieblich: eine heitergrüne Wiese in sanften Wellenbildungen, rechts ein dunkler Wald, hinter dem eben eine Wolke zwei schneeweiße Taubenflügel heraufschlug - vor uns die wunderlichen Felsen des Almseegebirgs, und links tief zurück der große und kleine Briel, die lichten Häupter in finstrer Bläue badend - kein Lüftchen - blendender Sonnenschein. Nach drei Stunden Malens stand Lothar auf und seine Wangen glänzten, wie die eines verschämten Knaben. Alle waren entzückt; nur der Engländer sah auf das Blatt ohne eine Silbe zu verlieren. Wir blieben noch lange und tranken aus unsern Reiseflaschen. Der Doctor blies auf seiner Stockflöte, Isidor lag im Grase auf dem Rücken und breitete die Arme auseinander. Der weiche, stille, heiße Sommernachmittag hauchte nicht, und drückte sich tiefblau in seine Berge nieder. Endlich gingen wir weiter zu den Ufern des Almsees und an ihm fort bis zum Seehaus.
    Ich konnte nichts malen, und werde es wahrscheinlich auf der ganzen Reise nicht thun können; denn der große, der drückende Schmerz über mich und das Mitleid mit ihr, der unschuldig Gekränkten, liegen wie Bergeslasten über meine Brust gedeckt und sehen mich aus der Natur an, als hätte sie ein dunkleres Trauergewand angelegt. So saß ich auch, als wir uns in dem Seehause eingerichtet hatten, wo wir über Nacht bleiben wollten, und als Alle wieder auf Spaziergänge fort waren, so saß ich auch vor dem Hause auf der Bank und sah diese Berge an, die ich unter
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