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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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schön diese ausnehmend schöne Nacht.«
    »Sie stören mich nicht,« antwortete er; »ich dachte mir wohl halb und halb, daß Sie oder Disson auf den See herausfahren würden. Als ich nämlich meinen Kahn ablösete, sah ich, daß an der Stelle noch mehrere angebunden lagen, die vielleicht Andere benützen könnten. Die Zither, die ich hier habe, gehört gar einem ganz fremden Menschen, der sie im Seehause liegen gelassen hatte, als alle auf das Wasser hinausfuhren, um zu singen, ich nahm sie; denn in solch schöner Nacht, dachte ich, dürfe sie nicht zu Hause bleiben. Auf
Sie
war ich beinahe gewiß gefaßt, daß Sie kommen würden.«
    »Auf
mich
waren Sie gefaßt?« fragte ich erstaunt.
    »Ja, auf
Sie
,« sagte er, »und daß ich aufrichtig bin: ich erwartete Sie sogar hier. Ich kenne Ihre Gemüthslage, - ich will nicht zurückhaltend sein - da Sie nun wirklich da sind, so lassen Sie uns hier den ersten Handschlag geben, wo uns nicht die Augen all dieser Menschen umgeben.« - Bei diesen Worten reichte er die Hand über den Bord seines Schiffes herüber, und fuhr fort: »Wir kennen uns eigentlich schon lange; ich bin der Freund, ich könnte sagen
Bruder
eines Wesens, das Sie vor nicht langer Zeit sehr liebten.«
    »Emil?« rief ich.
    »Ja, Emil,« antwortete er.
    »Und Sie suchten mich?« fragte ich in höchster Spannung.
    »Ich suchte Sie,« erwiederte er.
    Wie von einer freudenvollen, schmerzensvollen Ahnung durchflogen, sprang ich auf, und wäre im Schaukeln meines Schiffchens bald in das Wasser gestürzt.
    Dann mit einem Sprunge war ich in seinem Kahne, und wir lagen uns in den Armen - ich fast in ein krampfhaftes Schluchzen ausbrechend - er mich fest und lange an seine Männerbrust drückend.
    Endlich ließen wir los, und blickten uns in die Gesichter - zwei Menschen, die sich lange suchten, geistig längst berührten, ja sich liebten, und sogar körperlich schon kannten, und nun sich so seltsam fanden.
    »Da ich Sie nun gefunden,« fing er wieder an, »so lassen Sie mich eine freundliche Bitte thun: Fassen Sie Vertrauen zu mir - und die ersten Tage keine Frage um Dinge in Wien.«
    Schon sein Erscheinen und Aufsuchen war Seligkeit und Freude für mich, und ich schlug gerne ein. Und nun erzählte er mir, daß er gleich erkannt, eine unverstandne Wallung habe wahrscheinlich ein sonst rechtes Herz beirrt - er habe mich gesucht; er habe sogar in Linz eine Nacht im Zimmer neben mir geschlafen, ohne es zu wissen, und erst von Aston habe er brieflich erfahren, daß ich in Wien gewesen, was ihn außerordentlich erfreuet, und mich gerechtfertigt habe; - von Aston endlich habe er meinen Reiseplan erfahren, und in Folge dessen habe er mir in Scharnstein vorgewartet.
    »Also sind nicht Alle nach Frankreich?« fragte ich.
    »Nein,« antwortete er; »wir wollten es. Aber da ich immer gewohnt bin, über Keinen zu urtheilen, ehe ich ihn kenne; ferner da die Sache so viel auf das Spiel setzte, so beschloß ich - wenn man es auch aufdringlich nennt - Ihnen nachzureisen, um da zu sehen und zu schauen, wo die Andern absichtlich blind sind. Ich mußte Sie ja suchen, wie den Stein der Weisen,« fuhr er lächelnd fort; »vor meiner Abreise war ich mit Aston gewiß zehnmal bei Ihnen, ohne Sie je zu treffen.«
    »Der Nabob?« fuhr ich heraus.
    »So heißt mich Aston immer wegen meiner ostindischen Geburt,« erwiederte er.
    »O Gott! o Gott! wie das Alles einfach gewesen wäre,« rief ich, »und wie es jetzt geworden ist!«
    »Lassen Sie nur das,« sagte er, meine Hand nehmend, »ich liebe Sie schon lange, und recht von Herzen ...«
    »Ich habe Sie verehrt,« unterbrach ich ihn.
    »Daran thaten Sie zu viel,« sagte er, »und die Quelle, die unsere gegenseitigen Gefühle vermittelte, mag wohl beiderseits ein wenig partheiisch gewesen sein. Lassen Sie nur jeden Kummer, und geben Sie der jungen Freundschaft ein kleines Recht; die Verzeihung von einer andern Seite wird wahrscheinlich viel leichter zu erhalten sein, als von Aston und mir. Jetzt lassen Sie uns zusammen ein Stück reisen - und vertrauen Sie mir ein wenig.«
    »Ganz und mit vollem Herzen!« rief ich aus.
    »Amen,« sagte er, »und nun reisen wir zusammen, und lernen auch unsere Fehler ein wenig kennen. Vor Allem ist einer gut zu machen, nämlich Ihren Kahn aufzusuchen, den Sie beim Ueberspringen in mein Schiff weggestoßen haben.«
    Sohin nahm er ein Ruder, und ich auch eines. Der Kahn war bald gefunden und an den andern angehängt, und dann unter verschiedenem Gespräche fuhren
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