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Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3

Titel: Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia 3
Autoren: Konklave der Schatten
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Einschätzung nach etwa eine halbe Stunde vergangen war, roch er den Rauch. Der Weg hatte ihn in eine Senke geführt, aber nun zog sich das Gelände wieder nach oben, und als er dem Weg um eine hohe Felsformation folgte, sah er einen Bauernhof vor sich. Es gab einen Pferch mit zwei Ziegen, und weiter entfernt waren Rinder zu sehen, eine seltsame Rasse mit langen, weit abstehenden Hörnern und weißem Fell mit braunen Flecken. Sie standen auf einer grünen Weide und fraßen Gras. Hinter einem niedrigen Gebäude aus Schlammziegeln mit einem Strohdach schwankte die Ernte im Wind: Mais, dachte Kaspar, war aber nicht vollkommen sicher. Und vor der Hütte stand ein Brunnen!
    Er eilte darauf zu und zog einen Eimer am Seil nach oben. Das Wasser war klar und kühl, und er trank sich satt.
    Als er schließlich den Eimer wieder ins Wasser fallen ließ, sah er eine Frau in der Tür des Hauses, und der Junge spähte hinter ihr hervor. Die Frau zielte mit einer Armbrust auf ihn. Ihre Miene war entschlossen, ihre Stirn gerunzelt. Sie hatte die Augen zugekniffen und biss die Zähne zusammen. Sie sagte etwas in der gleichen Sprache, die die Nomaden gesprochen hatten. Es war offensichtlich eine Warnung.
    Kaspar sprach Queganisch und hoffte, dass sie ein paar Wörter erkannte oder zumindest seinem Tonfall entnahm, dass er nichts Böses wollte. »Ich werde dir nichts tun«, sagte er langsam und steckte sein Schwert ein. »Aber ich muss sehen, was ihr zu essen habt.« Er vollführte eine kleine Pantomime, als äße er, dann zeigte er auf das Haus.
    Ihre Antwort war knapp und zornig: Sie bedeutete ihm mit der Armbrust zu verschwinden. Kaspar wusste als Jäger, dass ein Weibchen, das seine Jungen beschützt, äußerste Vorsicht erfordert.
    Er ging langsam auf sie zu und sagte bedächtig:
    »Ich will euch nichts tun. Ich muss nur essen.« Er hielt die Arme ein wenig zur Seite, die Handflächen nach außen.

    Dann traf ihn der Duft. Es tat ihm beinahe weh, es zu riechen – frisches Brot! Und ein Eintopf oder eine Suppe!
    Ruhig sagte er: »Wenn ich nicht bald etwas esse, werde ich sterben, Frau. Wenn du mich also umbringen willst, solltest du es lieber gleich tun.«
    Seine Reflexe retteten ihn, denn sie zögerte einen Augenblick, bevor sie schoss. Kaspar warf sich nach links, und der Bolzen raste dort durch die Luft, wo er einen Moment zuvor noch gestanden hatte. Kaspar rollte sich ab, sprang auf und griff an.
    Sobald die Frau sah, dass sie ihn verfehlt hatte, hob sie die Armbrust wie eine Keule. Sie riss sie auf Kaspars Schulter nieder, als er durch die Tür stürmte.
    »Verdammt!«, brüllte er, schlang die Arme um die Taille der Frau und zog sie zu Boden.
    Der Junge schrie zornig und begann, auf Kaspar einzuschlagen. Er war klein, aber stark, und Kaspar spürte die Schläge. Er lag oben auf der sich wehrenden Frau und hielt ihre Hand fest, in der sie immer noch die Armbrust hielt. Er drückte, bis sie die Waffe losließ, dann stand er gerade noch rechtzeitig auf, um der Eisenpfanne auszuweichen, die der Junge nach seinem Kopf schwang.
    Er packte das Handgelenk des Jungen und verdrehte es, woraufhin er aufschrie und die Pfanne fallen ließ. »Hör endlich auf!«, brüllte Kaspar.
    Er zog das Schwert und zeigte damit auf die Frau.
    Der Junge erstarrte entsetzt.
    »Also gut«, sagte er auf Queganisch. »Noch einmal: Ich will euch nichts tun.« Er steckte mit großer Geste sein Schwert ein, ging an der Frau vorbei und hob die Armbrust vom Boden auf. Dann reichte er sie dem Jungen. »Hier, Junge, geh und such den Bolzen, und sieh zu, ob du sie spannen kannst. Wenn du mich unbedingt umbringen willst, kannst du es noch einmal versuchen.«
    Er zog die Frau hoch und blickte sie forschend an.
    Sie war hager, aber er konnte sehen, dass sie einmal hübsch gewesen war, bevor das Leben sie frühzeitig hatte altern lassen. Er hätte nicht sagen können, ob sie dreißig oder vierzig Jahre alt war, denn ihr Gesicht war von der Sonne wie zu Leder verbrannt.
    Aber ihre Augen waren leuchtend blau, und sie beherrschte ihre Furcht. Leise sagte er: »Hol mir etwas zu essen, Frau.« Dann ließ er sie los.
    Der Junge stand reglos da und hielt immer noch die Armbrust fest, während Kaspar sich umsah. Es gab nur einen einzigen Raum in der Hütte, aber ein Vorhang vor ihrer Schlafstelle bot der Frau ein wenig Abgeschiedenheit. Kaspar konnte von dort, wo er saß, ihren Strohsack und eine kleine Truhe sehen.
    Ein weiterer Strohsack war unter einem Tisch aufgerollt.
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