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Feine Familie

Feine Familie

Titel: Feine Familie
Autoren: Tom Sharpe
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der Lage, Lord Petrefact von einem Kabeljaufilet zu unterscheiden, falls er ihn zu Gesicht bekäme, trug wenig zu seiner Beruhigung bei. Auf seinen zweiten Anruf hin antwortete eine Stimme, die vor Abscheu so troff, daß man annehmen mußte, daß ihr Besitzer den Hörer mit einer sterilen Pinzette festhielt und durch einen keimfreien Mundschutz sprach. Ja, konzidierte die Stimme, Lord Petrefact hielte sich derzeit hier auf, dürfe aber auf keinen Fall gestört werden. »Ich möchte mich nur vergewissern, daß er mich eingeladen hat«, sagte Yapp. Die Stimme meinte, dies sei in der Tat der Fall, ließ aber spüren, daß, was sie betraf, die Anwesenheit von Professor Yapp in Fawcett House etwa so willkommen war wie ein grippaler Infekt.
    Endlich überzeugt, daß der Brief doch echt war, legte Yapp den Hörer auf. Unhöflichkeit vom Kaliber dieser arroganten Stimme paßte nicht zu einem Scherzbold. Wenn Lord Petrefact glaubte, er könnte Waiden Yapp ungestraft wie einen armseligen Fabrikarbeiter behandeln, hatte er sich geschnitten. Und wenn er sich auch nur eine Sekunde lang einbildete, daß eine von Waiden Yapp geschriebene Familiengeschichte eine Lobeshymne auf eine Familie würde, die sich mit dem Elend einfacher und anständiger Arbeiter ein Vermögen erworben hatte, dann würde er erleben, was echte Klassensolidarität bedeutete. Um ganz sicher zu gehen, daß sich Lord Petrefact nicht in Illusionen wiegte, setzte sich Yapp an seine elektronische Schreibmaschine und entwarf einen Brief, in dem er die Einladung annahm, gleichzeitig aber ebenso arrogant wie die Stimme am Telefon klarstellte, daß ihm die Vorstellung, im Haus eines kapitalistischen Blutsaugers zu Gast zu sein, mißfiel. Anschließend speicherte er diesen Brief in seiner persönlichen Datei im Computer ab – um sich gegen den Vorwurf abzusichern, er würde sich nicht strikt an seine Prinzipien halten –, überlegte es sich dann jedoch anders und schickte ein kurzes Telegramm, in dem er sein Kommen für Samstag ankündigte. Wenn dieses Angebot wirklich ernst gemeint war und er die schriftlichen Dokumente, die Hauptbücher und die Aufzeichnungen der Petrefacts aus ihrer allerschlimmsten Ausbeuterzeit in die Hände bekam, dann würde er ihre Machenschaften derart gründlich aufdecken, daß ihr Name selbst in kapitalistischen Kreisen zu stinken anfangen würde. Lord Petrefact nahm das Telegramm mit sichtlichem Vergnügen auf.
    »Ausgezeichnet. Ganz ausgezeichnet«, sagte er zu Croxley, dessen Stimme seine Ansicht über Yapps Besuch bereits kundgetan hatte, »er hat den Köder geschluckt.«
    »Köder?« fragte Croxley. Er hatte sich einmal zehn recht unbehagliche Minuten lang eine Episode von Probieren geht über Studieren angesehen. Anschließend hatte er versucht, die Erinnerung daran auszulöschen, indem er untypischerweise zu den Top Ten umschaltete.
    Lord Petrefact drückte den Express-Knopf an seinem Rollstuhl und wirbelte überschwenglich im Kreis herum. Hätte diese verdammte Auster nicht seinen gesamten Stoffwechsel durcheinandergebracht, hätte er einen Freudentanz aufgeführt. »Köder, mein lieber Croxley, Köder. Jetzt müssen wir die Netze auslegen. Müssen dem Kerl anständig den Mund wäßrig machen. Was, glauben Sie, würde ihm denn zum Dinner schmecken?«
    »Wenn ich von dem widerlichen Zeug ausgehe, das er proklamiert, dann würde ich sagen, Schweinsfüße von einem unterernährten Ferkel und danach Magermilch mit vier Wochen altem Brot.«
    Lord Petrefact schüttelte den Kopf. »Nein, nein, nichts dergleichen. Schließlich müssen wir doch seine Vorurteile schüren. Sie müssen sich klarmachen, mein lieber Croxley, daß wir Plutokraten es uns erstaunlich gut gehen lassen. Um Yapps Vorstellung gerecht zu werden, brauchen wir wenigstens ein achtgängiges Menü.«
    »Ich schlage vor, wir beginnen mit Austern«, meinte Croxley, der es nicht leiden konnte, wenn man ihn mit zu den Plutokraten zählte.
    Lord Petrefact jaulte auf. »Sie können damit beginnen. Ich ganz bestimmt nicht. Nein, ich denke, wir beginnen mit echter Schildkrötensuppe, die in einem Schildkrötenpanzer serviert wird. Er hat ziemlich sicher einen Hang zum Naturschützer, so daß ihm das erst mal eine Denkpause verschaffen wird.«
    »Ich fürchte, daß das den Mietmenschen in der Küche auch eine Denkpause verschafft«, meinte Croxley. »Wo zum Teufel sollen die denn eine echte Schildkröte herbekommen ...«
    »Von den Galapagos-Inseln«, sagte Lord Petrefact. »Sie
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