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Fehlt noch ein Baum

Fehlt noch ein Baum

Titel: Fehlt noch ein Baum
Autoren: Irina Tabunowa
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Körbchengröße E oder F. Sie trug ausschließlich einen rosafarbenen Morgenmantel aus Seide, und immer wieder konnten wir beobachten, wie mal die eine, mal die andere Brust herausrutschte. Und wenn Regina sich vorbeugte, dann fielen ihre Stoßdämpfer paarweise heraus.
    An unseren gelangweilten Gesprächen beteiligte sie sich nie, nur selten verließ sie ihr gastronomisches Nirwana, ließ ihren versonnenen Blick über uns gleiten und stieß etwas hervor wie:
    Â»Ich habe die Pille genommen … Hat nicht geholfen.« Oder: »Ich hatte nach der ersten Abtreibung zwei Fehlgeburten. Die erste direkt auf der Hochzeit …«
    Ãœberhaupt ist eine Frau in der Schwangerschaft die Apotheose alles Physiologischen. Die Veränderungen ihres Körpers sind Anzeichen für künftiges Leben. Gute Testergebnisse sind die Garantie dafür, dass das Kind gesund zur Welt kommen wird und Mama und Papa später nicht die Nerven raubt. Gibt es keine Ödeme, dann ist das ein Zeichen, dass man die letzten Monate nicht ins Krankenhaus muss.
    Die Devise aller Schwangeren lautet: »Achte auf dich und sei vorsichtig.«
    Ich fand es interessant, die schleichenden Veränderungen meines eigenen Körpers zu beobachten. Denn eine Schwangerschaft ist nicht nur der Bauch, der bei Erstgebärenden im fünften, sechsten Monat zu wachsen beginnt.
    Meine Brüste waren schwerer geworden. Deutlich war an ihnen ein Muster blauer Venen zu erkennen. Wie zwei mit einer Schnur umwickelte Schinken. Die Brustwarzen waren angeschwollen und heller geworden. Man sagt, das habe die Natur so eingerichtet, damit der Säugling sich bei der Suche nach der Mutterbrust nicht verirrt. Die Brustwarze sei sein Orientierungspunkt. Ich weiß nicht, als Vera geboren worden war, stieß sie mich während des nächtlichen Stillens im Halbschlaf wie ein blinder Welpe. Einmal hat sie mir sogar einen Knutschfleck am Hals verpasst, da war sie wohl sehr hungrig. Die hellen Brustwarzen haben da kein bisschen geholfen. Man sollte sich Lämpchen am Busen befestigen, statt sich auf die Natur zu verlassen.
    Mit dem Anschwellen der Brüste begann plötzlich auch ein Haarwachstum am Bauch. Um es genauer zu sagen, es bildete sich eine deutlich sichtbare »Läuseleiter« bis zum Bauchnabel.
    Olga, die künstlich befruchtet worden war, besah sich dieses Unheil bei Licht und sagte gedehnt:
    Â»Jaaaaa … Und ich wollte mir für diesen Winter einen neuen Pelz kaufen. Wenn das in dem Tempo weitergeht, werde ich ihn wohl nicht mehr brauchen. Wenigstens da kann ich was einsparen.«
    Olga hatte zehn Jahre nicht schwanger werden können. Es war die Folge einer Abtreibung aus ihren Studentenjahren – man hatte sie schlampig behandelt. Das Ärgerliche war nach ihren Worten, dass sie zu diesem Zeitpunkt von ihrem jetzigen Mann schwanger war.
    Â»Unser Kind wäre jetzt zehn Jahre alt, ich habe die ganze Zeit die Ärzte abgeklappert … Was ich nicht alles ausprobiert habe. Und jetzt kostet mich die Geburt so viel Kohle. Wenn nur alles gut geht.«
    Olga hatte am meisten »Glück«: sie bekam Progesteron gespritzt. Das ist ein Hormon, das für die bessere Anbindung der Leibesfrucht an die Gebärmutterwand verantwortlich ist, glaube ich. Das Progesteron ist deswegen so albtraumhaft, weil es nur in Öl löslich ist. Und da Öl schlecht abgebaut wird, verwandelt sich der Hintern in eine hügelige Landschaft. Olga, die bei jedem Drehen von der einen zur anderen Seite ächzte, meinte: »Als ob ich mich an Sotschis Steinküste sonnen würde.«
    Irgendwann im Laufe der zweiten Woche, als bei mir die Gefahr einer Fehlgeburt sehr groß war, durfte ich mich nicht mehr waschen. Eigentlich durfte ich überhaupt nicht mehr aufstehen. Man wollte mir eine Ente bringen. Entsetzt lehnte ich ab. Man erzählte mir von einer Patientin, die mit hochgelegten Beinen (das verringert die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt) fünf Monate dagelegen hatte, ohne sich zu waschen, sie hatte sich nur mit feuchten Tüchern abgewischt. Warum es nur fünf Monate waren und nicht neun, wurde mir nicht erklärt …
    Nach einer Woche Beobachtung wollten alle nach Hause. Auch wenn ihnen schlecht war, wollten sie doch lieber ihre eigene Kloschüssel umarmen.
    Das betraf buchstäblich alle, und daran war die teuflische, salzlose Diät schuld. Wenn die Chefärztin bei der Visite unter unseren
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