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Feenland

Feenland

Titel: Feenland
Autoren: Paul J. McAuley
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des
Gehsteigs aufgereiht, gehütet von einer Vettel in einer Art
Umhang aus schwarzen Plastik-Abfallsäcken. Alex gibt ihr ein
Trinkgeld und wählt seine Kontaktnummer, eingeklemmt in der Enge
einer Zelle, die nach einem Gemisch aus Pisse und Billig-Raumspray
stinkt und deren Wände mit den Rufnummern des horizontalen
Gewerbes vollgekritzelt sind. Der Zauberer hat ihm eingeschärft,
Kunden niemals per Mobiltelefon anzurufen: Die Standorte
eingeschalteter Mobiltelefone werden ständig
überprüft, die Knotenpunkte angezapft, die Paßworte
von geduldigen Abhöranlagen registriert, und jeder im Umkreis
von fünfzehn Kilometern, der einen handelsüblichen Scanner
besitzt, kann dein Gespräch mithören.
    Der Bildschirm ist gesprungen, und über den unteren Bereich
hat jemand eine Flasche schwarzen Nagellack ausgekippt. Auf dem Boden
liegt eine blutverschmierte Kanüle. Alex rollt sie mit dem
Fuß hin und her, während das Telefon vergeblich klingelt,
und verläßt die Zelle mit einem merkwürdigen
Gefühl der Heiterkeit, einer schwebenden Leichtigkeit, als
befände er sich im freien Fall. Er sitzt echt und tief in der
Scheiße. Früher oder später wird ihn der Gedanke
einholen, aber im Moment hat er das Empfinden, daß er einer
Gefahr entronnen ist.
    Eben als er zur U-Bahn will, setzt der Regen ein.
    Der Wasserschwall prasselt mit solcher Wucht herunter, daß
er vom Pflaster einen Meter zurück in die Luft geschleudert
wird. Alex rettet sich halb durchweicht in den Bahnhofseingang. Von
der Hutkrempe läuft ihm das Naß über den Rücken.
Der Regen ist so heftig, daß man darin ertrinken könnte.
Die Temperatur sinkt auf einen Schlag um fünf Grad. Das Wetter
spielt in jüngster Zeit verrückt. Es hat eine tiefgreifende
Veränderung vor und will sie mit Gewalt durchziehen.
    Auf schwarzen Taxis leuchten plötzlich die orangefarbenen
Besetzt-Schilder. Laster pflügen Bugwellen in der
überfluteten Straße auf, die über pastellfarbenen
Kleinwagen schwappen. Alex sieht ein blaues Blinken weit vorne an der
Pentonville Road und spannt sich an. Nein, es ist vermutlich nur ein
Unfall.
    Windböen stülpen Regen- und Sonnenschirme von innen nach
außen und reißen Hüte von den Köpfen. Auf der
Verkehrsinsel an der Kreuzung King’s Cross haben
Flüchtlinge ihr Lager aufgeschlagen. Die mit Stricken an
Geländern und Verkehrszeichen-Pfosten festgezurrten Leinwand-
und Plastikbahnen der Zelte und Biwaks blähen sich im Sturm und
reißen an ihren Befestigungen. Eine große schwarze
Kunststoff-Folie löst sich plötzlich durch den
strömenden Regen, segelt über den Verkehr hinweg wie eine
Fledermaus und senkt sich dann auf die Windschutzscheibe eines
Lasters. Der Wagen stellt sich auf der überschwemmten
Straße quer und kommt zum Stehen, stößt gewaltige
schwarze Rauchwolken aus, die nach uraltem, verbranntem Speiseöl
stinken, und blockiert beide Fahrspuren in Richtung Osten. Hupen,
wütend aufblitzende Bremslichter; rote Messer, die durch die
dicke, dunkle Luft schneiden.
    In der Ferne kreisen Blaulichter durch den Regen. Sirenen heulen
auf und schweigen frustriert. Alex sieht jemand durch den Stau
rennen, einen kleinen Mann, verfolgt von zwei bulligen Typen in
Anzügen, die ihn an den Armen packen und
zurückreißen. Einer der Kerle schwenkt einen
Plastikausweis vor einem hupenden Taxi hin und her.
    Heiland, da verschwindet sein Kontaktmann. Alex ist plötzlich
sicher, daß Perse seine Finger im Spiel hat. Perse hat den Deal
spitz gekriegt und ihm die Tour versaut.
    Zwei Polizeifahrzeuge stecken im Stau hinter dem querstehenden
Laster fest. Bei einem davon werden die Türen aufgerissen, und
Bullen in gelben Regenmänteln klettern ins Freie.
    Plötzlich kommt Alex zu Bewußtsein, daß ihn von
allen Seiten die Augen der Sicherheitskameras anstarren. Er zieht den
Hut tiefer in die Stirn und betritt die überfüllte
Bahnhofshalle. Ein Penner in einem verdreckten bodenlangen Mantel,
der nur von einem Strick zusammengehalten wird, grinst ihn an. Auf
seiner Stirn prangt eine rötlichgelb verkrustete Wunde. Er
merkt, daß er die Aufmerksamkeit von Alex erregt hat und sagt:
»So’n Typ hat mir heute morgen was zum Abdecken geschenkt,
und ich hab’s selber aufgetragen, ohne einen Tropfen in die
Augen zu kriegen. Sieht gut aus, was?«
    Alex zieht das Kästchen aus der Innentasche seiner Anzugjacke
– die Riefen auf dem schwarzen Plastikdeckel scheinen sich
anzuspannen, während sie seine Fingerabdrücke abtasten
– und hält es dem
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