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Familientherapie ohne Familie

Titel: Familientherapie ohne Familie
Autoren: Thomas Weiss
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Partner trinkt, ist keine Kleinigkeit. Aber Sie sind beide über diese eine Klippe erfolgreich hinweggekommen.
    Die andere Sache, die ich vom Team ausrichten soll, ist folgende: Es fiel dem Team auf, wie offen und klar Sie über das Problem reden konnten, so ohne Hemmungen, obwohl es Ihnen bestimmt nicht leicht gefallen ist.«
    Mary stimmt lachend zu: »Im Gegenteil! Kaum jemand weiß davon.«
    Therapeut: »Da gibt es noch ein paar Sachen, die uns aufgefallen sind: Ihr ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und Ihr Verantwortungsgefühl den Kindern gegenüber. Letztendlich haben Sie beide viel für die Kinder gemeinsam getan, sodass die sich ungestört entwickeln konnten. – Das haben Sie gut gemacht.
    Nun zu dem Problem, das Sie hierher gebracht hat.
    Wir sehen das so: Ihre Ehe ist aus dem Gleichgewicht geraten. Zuerst gab es das Problem mit dem Trinken. Es ist Ihnen beiden
gelungen, das Problem zu überwinden und in dieser Beziehung ein Gleichgewicht zu finden.
    Aber dann gibt es noch die andere Seite mit der Prostituierten, und in dieser Beziehung ist Ihre Ehe noch nicht im Lot. Wir vermuten, dass nicht nur Sie das so sehen, sondern auch Bob.
    Aus unserer Erfahrung glauben wir, dass Bob große Schuldgefühle hat. Es mag für Sie etwas merkwürdig klingen, aber in gewisser Weise helfen Sie ihm durch Ihr Verhalten, mit den Schuldgefühlen umzugehen.
    Wenn Sie sich anders verhalten würden, könnte er seine Schuldgefühle nicht überwinden.
    Wir haben nun eine Aufgabe für Sie.
    Bitte achten Sie darauf, welche Zeichen ein Hinweis dafür wären, dass Ihre Ehe wieder ins Gleichgewicht gerät und für einen Neubeginn offen wird.
    Im Moment können wir Ihnen logischerweise nicht empfehlen, Ihr Verhalten zu verändern.
    (Pause)
    Nächste Woche gleiche Zeit?«
    Mary: »Einverstanden.«
    In der Intervention werden erst systematisch die Ressourcen herausgearbeitet und gelobt. Besonders wird auf das schon Erreichte eingegangen. Dann folgt eine erste Umdeutung: »Die Ehe ist aus dem Gleichgewicht geraten.« Marys Verhalten, ihre fehlende Bereitschaft zum Vergeben, wird nicht infrage gestellt, sondern im Gegenteil für sehr sinnvoll erklärt. Dabei wird ihr Verhalten allerdings nicht als »Rache« bezeichnet, das würde sie nicht annehmen, sondern umgekehrt: Erst durch ihr Verhalten ermöglicht sie ihrem Mann, sich von seinen Schuldgefühlen zu befreien.
    Die Aufgabe für die Woche ist eher vorsichtig: Sie soll nichts verändern, auch nicht erste kleine Schritte machen. Sie soll lediglich auf die Zeichen für eine noch kommende Veränderung achten.

Zweite Stunde
    Zur zweiten Stunde erscheint die Patientin pünktlich. Sie wirkt diesmal weniger zurückhaltend.
    Therapeut: »Ich habe Ihnen das letzte Mal eine Aufgabe gegeben.«
    Mary: »Stimmt, haben Sie, ich sollte doch aufschreiben, welche Dinge ich ändern soll, damit es besser wird?« Therapeut: »Habe ich das gesagt? Nicht ganz! (lächelt) Aber erzählen Sie mir, was Sie aufgeschrieben haben.« (Therapeut stellt sich auf die Situation ein, ohne sich mit Mary über die tatsächlich gestellte Aufgabe auseinanderzusetzen)
    Mary lacht, wird dann ernster: »... da gibt es so eine Sache... immer wenn ich Musik höre, werde ich so melancholisch, da denke ich an die Zeiten, wo er zum Trinken wegging und ich unglücklich wurde. Das war früher besonders schlimm.«
    (Sie beginnt mit einer Beschreibung der schlechten Zeiten.)
    Therapeut: »Das hat sich geändert?«
    Mary: »Also, das kommt und geht so. Zeitweise stört es mich nicht so besonders, aber zeitweise ist es auch schlimm.« Therapeut: »Zu welchen Zeiten stört Sie das nicht?«
    (Geht nicht auf die Beschwerden ein, sondern auf die Zeiten, in denen es besser ist)
    Mary seufzend: »Wenn ich sehr beschäftigt bin. Oder wenn ich nicht direkt auf die Worte der Musik höre. Oder wenn ich nicht so sanfte Musik höre.«
    Therapeut: »Was haben Sie noch beobachtet?«
    Mary: »Ja, was richtig Besonderes habe ich diese Woche gesehen: Ich habe kein Vertrauen in ihn. Wenn er etwa in die Stadt geht und jemand trifft, dann habe ich kein Vertrauen. Da gab es zum Beispiel einen Vorfall – das war wirklich dumm von mir -, da hatte ich etwas zu Hause vergessen und bin deswegen in der Mittagspause nach Hause gefahren. Auf dem ganzen Weg nach Hause dachte ich, er könnte da sein, mit jemand zusammen. Ich hatte wirklich keinen Grund dazu, aber ich dachte es die ganze Zeit.

    Das passiert nicht gerade oft, aber doch manchmal, und da sehe ich
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