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Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)

Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Jan Beinßen
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falls Sie mal ein Modell für Ihre Zeitung brauchen.«
    Wenn sie sich als Modell anpreisen wollte, hätte sie die Karte dem Fotografen zukommen lassen müssen und nicht ihm, dem Schreiberling, dachte Jochen. Dennoch nahm er sie gern an und sagte mit viel Schmelz in der Stimme: »Danke schön. Ich komme drauf zurück.«

3

    »Du meine Güte, deine ganzen Sachen sind beschmiert! Ist das etwa Blut? Bist du verletzt?«
    Keller winkte ab und schob sich an Doris vorbei in die Wohnung. Er fühlte sich viel zu erschöpft, um lange Erklärungen abzuliefern. »Ich zieh mich schnell um und mache mich frisch«, nuschelte er und verschwand im Bad.
    Kurz darauf erschien er in der Küche. Seine Frau nickte ihm mit unbewegter Miene zu. Gab ihm ein Küsschen auf den Mund, kein Wort der Klage. Sie war es gewohnt, dass ihr Mann sich verspätete. Die Mikrowelle zählte zu den wichtigsten Haushaltsgeräten. Wie mechanisch schob sie die Reste eines mediterranen Hackbratens mit Kartoffelbrei hinein und stellte vier Minuten bei voller Wattleistung ein.
    Seit Anfang der 1990er-Jahre wohnten die Kellers hier an der Martin-Richter-Straße, etwas zurückversetzt mit Blick auf einen begrünten Hinterhof mit minimalistisch ausgestattetem Kinderspielplatz, der von weiteren, fünf- bis sechsgeschossigen Wohnhäusern umgeben war. Durch eine Lücke zwischen den Wohnblöcken und vorbei an zwei alten Linden konnten die Kellers sogar ein Stück vom Stresemannplatz und die Neonreklame der Kinokneipe Metropolis erspähen. Sie hatten viele glückliche Jahre in dieser innenstadtnahen Wohnlage mit nahem U-Bahnhof, guten Einkaufsmöglichkeiten und netten Restaurants in der Nähe verbracht. Ob sie auch die Rentenjahre in der Wohnung bleiben würden, war bisher offen geblieben. Doris konnte sich gut vorstellen, den Wohnsitz noch einmal zu verlegen, aber ihr Konrad war ja ein Gewohnheitstier, und so mied sie es, dieses heikle Thema anzusprechen, und lebte ihr Fernweh um des lieben Frieden willens lieber in Urlaubsreisen aus.
    »Mmmh. Gut«, brummte Konrad zufrieden und schaufelte eine weitere Gabel des Hackbratens in seinen Mund.
    »Du solltest ihn mal probieren, wenn er frisch zubereitet ist. Das Aufwärmen in der Mikrowelle macht ihn trocken.«
    »Kann ich nicht behaupten. Mir schmeckt’s jedenfalls.«
    Doris ließ ihren Mann in Ruhe aufessen, bevor sie sich erkundigte: »War wohl wieder heftig bei euch heute, was?«
    »Es ging ziemlich zur Sache, ja. Üble Geschichte. Hätte böse enden können.«
    »Willst du darüber reden?«
    »Später. Vielleicht.« Er wischte sich den Mund mit einer Serviette ab. »Und bei dir?«
    »Bei mir? Hach, du bist lustig! Das Übliche halt.«
    »Haben sich die Kinder mal gemeldet?«
    »Nein. Du weißt doch, dass sie sich meistens nur am Wochenende rühren.«
    »Ich meine per E-Mail. Von Jochen und Sophie kommt doch fast jeden Tag eine Meldung. Heute herrschte Funkstille?«
    »Nein, Jochen hat kurz gemailt. Da gibt es wohl eine neue Frau, für die er sich interessiert. Klang recht begeistert.«
    »Eine neue Frau? Mal wieder … Und Sophie? Ist sie noch glücklich in ihrem München?« Dezent ließ er ein Fleischbällchen, das er mit Daumen und Zeigefinger gerollt und an den Tellerrand gelegt hatte, unter den Tisch fallen. Nahezu zeitgleich schoss ein karamellfarbenes Wesen zwischen den Tischbeinen hindurch und schnappte sich den Ball: Maus, die Hauskatze, jagte die Kugel quer durchs Wohnzimmer, bevor sie sie erlegte und gierig verschlang.
    »Du sollst Maus nicht füttern!«, tadelte Doris, die sein verstecktes Manöver sogleich durchschaut hatte.
    Konrad sah sie spitzbübisch an. Seine Doris war im letzten Jahr 60 Jahre alt geworden und hatte sich prächtig gehalten. Konrad bewunderte sie für den Sport, den sie regelmäßig trieb, und ihre Selbstdisziplin beim Essen – zwei Faktoren, denen sie wohl ihre nach wie vor gute Figur zu verdanken hatte. Ihr Gesicht war frisch und von nussbraunen Haaren umsäumt, die sie sich inzwischen zwar färben ließ, damit aber nur einige wenige graue Strähnen überspielen musste.
    Konrad war stolz auf seine Frau, er verehrte und liebte sie noch immer wie in der Frühphase ihrer Beziehung. Nun, vielleicht nicht genau so, sondern auf eine andere, gewandelte, womöglich fortgeschrittene Art und Weise. Denn wie Doris, er selbst und jeder andere Mensch hatte sich das Paar verändert. Es hatte Höhen und Tiefen durchschritten, Krisen und glückliche Zeiten durchlebt. Mit dem Resultat, dass sie nach
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