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Familienpackung

Familienpackung

Titel: Familienpackung
Autoren: Susanne Fröhlich
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geahnt, hätte ich es längst getan.
    Als Claudia und Christoph sich auf den Weg machen,
bekommt mein Liebster einen langen Abschiedskuss. Mit allem drum und dran. Wir züngeln, bis Claudia anfängt, an uns zu zerren. Es scheint ihm zu gefallen. »Ich glaube, ich komme heute Abend mal früher und lasse die Akten im Büro.« Mit diesem Satz signalisiert er, dass ihm die Verabschiedung durchaus gefallen hat. Na bitte, vielleicht ist ein Teil des Problems meine morgendliche Stoffeligkeit. Wie hat mein Vater schon immer gesagt: »Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.« Beschließe, ab jetzt morgens der reinste Sonnenschein zu sein. Mal wieder richtig zu knutschen, ist toll. Heute Abend werden wir es ordentlich krachen lassen.
    Ich dusche und creme mich ein, als wäre es schon in wenigen Minuten so weit. Vorfreude ist doch die schönste Freude. O Himmel – ich werde noch genauso eine Sprüchetante wie mein Vater. Meine Güte. Dabei habe ich schon als genervtes Kind gedacht, so einen Kram würde ich niemals im Leben erzählen. Wie man sich täuschen kann. Die Gene schlagen halt doch durch. Blöderweise auch an meinen Schenkeln. Eine leichte Kraterlandschaft. Sie bekommen eine Extraportion Bodylotion. Gecremt sieht das Elend schon besser aus.
    Ich betrachte mich im Spiegel. Obenrum geht’s. Vor allem, weil der Spiegel vom Duschen noch leicht beschlagen ist. Untenrum, nun ja. Aber das wird.
     
    Heute Nachmittag geht’s in die große Stadt. Schließlich muss ich Christoph ja noch ein Geschenk besorgen. Hier im Ort ist das mit dem Shoppen so eine Sache. Ein abgetakelter kleiner Eissalon, ein Schreibwarenlädchen, Zeitschriften und ein Supermarkt. Nicht zu vergessen die Boutique
Anni. Der Name sagt alles. Ich kaufe wirklich sehr gerne ein, aber bei Anni bleibt meine Kreditkarte völlig ruhig. Nicht die kleinste Zuckung. Seit wir hier draußen leben, ist mein Konto um einiges entspannter. Wo soll ich hier mein Geld auch lassen? Vor allem mein Geld! Seit ich nicht mehr arbeite – jedenfalls nicht außer Haus –, leben wir von Christophs Verdienst. Nichts Ungewöhnliches, aber für mich doch sehr gewöhnungsbedürftig. Christoph ist zum Glück kein Sparbrötchen. Oder besser gesagt, kein extremes Sparbrötchen. Er hat durchaus andere Vorstellungen als ich davon, wofür man dringend Geld ausgeben sollte. Allerdings würde ich durchdrehen, wenn ich für jedes Paar Kindergummistiefel um Geld bitten müsste.
    Die Kinder habe ich für heute Nachmittag wegorganisiert. Claudia geht nach dem Kindergarten zu ihrer Freundin und Mark zu einem Freund. Ich werde wie in alten Zeiten ganz allein in Ruhe durch die Stadt bummeln. Ein schöner Gedanke.
    Punkt drei Uhr gebe ich Mark bei seinem Lieblingskumpel Kai ab und beschließe, eine sehr vernünftige Person zu sein. Ich werde mit der S-Bahn in die Stadt fahren. Die S-Bahn-Nähe hat unser Haus sicher um 15 % teurer gemacht, da wäre es ja sträflich, die Bahn nicht zu nutzen. Christoph weigert sich standhaft, mit der Bahn in die Kanzlei zu fahren. Er steht lieber mit seinem schicken BMW im Stau. Ich hatte kurz überlegt, ob eine Monatsmarke für den öffentlichen Nahverkehr ein schönes Geburtstagsgeschenk sein könnte, die Idee dann aber schnell wieder verworfen. Erstens: Jeder wie er es gerne hat. Zweitens: Ich bin ja keine Missionarin, und drittens: Von einem solchen Geschenk wäre ich auch nicht gerade beglückt.
     
    Ich hetze zur Bahn, parke den Wagen, lobe nochmal insgeheim meine Vernunft und spurte los. Manchmal hat der Mensch Glück – sogar ich –, die Bahn fährt gerade in dem Moment ein, als ich den Bahnsteig betrete. Eigentlich müsste ich noch ein Ticket ziehen, aber dann würde ich wieder 20 Minuten an diesem trostlosen Bahnhof stehen und in dieser Zeit könnte ich schon herrlich Geld in der Stadt ausgeben. Außerdem: Habe ich nicht beschlossen, ab heute wild und gefährlich zu leben? Und genau besehen bin ich auch nicht mehr so jung, dass ich meine Zeit an einem Bahnsteig verschwenden könnte. Wie oft bin ich als Teenie – lange ist es her – schwarzgefahren. Was damals ging, geht doch auch heute. Rein in die Bahn. Ganz so lässig wie damals als Jugendliche bin ich aber doch nicht mehr. Ich bekomme sofort einen roten Kopf, als könnten die anderen Fahrgäste gleich sehen, dass ich eine böse, miese Schwarzfahrerin bin. Ich setze mich, starre auf den Boden und hoffe, dass die Fahrt schnell vorbeigeht. Ein echter Kick ist das nicht. Na ja, versuchen kann
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