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Familienpackung

Familienpackung

Titel: Familienpackung
Autoren: Susanne Fröhlich
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die Zuschauer mögen das«, ermuntert sie mich. Was für ein widerlicher Beruf. Reporterin bei RTL . Tränen in Großaufnahme. Wieso lasse ich mich überhaupt filmen? Bin ich vollkommen naiv oder nur brezelblöd? »Gehen Sie weg«, herrsche ich die Trulla an.
    »Kann ich das nicht überweisen?«, frage ich die Kontrolleurin. »Klar«, sagt sie, »da brauchen wir nur Ihre Personalien.« Ich bin kurz davor, mich in diese Frau zu verlieben. »Von mir aus«, grunzt auch der zweite Kontrolleur, »dann geben Sie uns mal Ihren Personalausweis.« Den habe ich natürlich nicht dabei, habe ehrlich gesagt nicht mal den Hauch einer Ahnung, wo er sein könnte, biete aber meinen Führerschein, meine Peek-und-Cloppenburg-Kundenkarte
und meine Kreditkarte an. »Führerschein langt«, knurrt der erste Kontrolleur, trägt alles auf einem Blöckchen ein und gibt mir einen Zettel mit drei Durchschlägen zum Unterschreiben. »Sie könne jetzt gehen«, blafft mich Nummer eins zum Abschluss dieses netten Treffens an. »Mer habe genug, alles was mer brauche tun.« Ich habe auch so was von genug. Auf Shopping habe ich keine Lust mehr. Auf S-Bahn fahren auch nicht. Ich bin nicht mal eine Stunde unterwegs, weg von zu Hause und will nur noch eins – nach Hause. Ich will meine Mutter, will heißen Kakao, zwei Zentner selbst gebackene Kekse und tröstende Worte. Im wahren Leben jedoch sitze ich auf einem Bahnsteig am Westbahnhof und schniefe vor mich hin.
    »Sollen wir Sie irgendwohin mitnehmen?«, lächelt mich die RTL -Tussi an. Du meine Güte, die sind ja immer noch da. Der Kameramann und die quallige Reporterin. Wie die auf den Stiefeletten einen ganzen Arbeitstag überstehen kann, ist mir rätselhaft. Sind das etwa Manolo Blahniks? Verdienen die so gut, dass selbst eine Reporterin in ihrem Alltagsgeschäft auf Manolos rumstöckeln kann? Wahnsinn. Ich hätte viel zu viel Schiss, dass mir die teuren Teile in irgendeinem Gullydeckel hängen bleiben könnten. Vielleicht ist sie gar nicht so fies? Ich meine, sie macht ja auch nur ihren Job. Und bei Schuhen scheint sie einen exquisit guten Geschmack zu haben. Verdammt, wie gerne würde ich jetzt einfach ins Auto steigen und so schnell wie möglich wieder daheim sein. Warum eigentlich nicht? Sollen die mich doch fahren. Noch eine S-Bahn-Tour ist nichts für meine Nerven. »Gerne«, schnüffle ich und wir gehen zum Parkplatz.
    Es ist ein Passat. Na ja, ich dachte, RTL könnte sich flottere Autos leisten. Besser als Bahnfahren ist es aber allemal.
Und immerhin – es steht groß und fett RTL drauf. Für einen Moment verdränge ich all den Mist des Tages und fühle mich wie ein Promi auf dem Weg zu einem immens wichtigen Ereignis. Anfahrt zum roten Teppich. Auf der Fahrt lassen mich die beiden in Ruhe. Der Kameramann sieht recht niedlich aus. Ist mir in der S-Bahn gar nicht so aufgefallen. Aber da hat er ja auch ständig die Kamera vor seinem Gesicht gehabt. Er hat eins dieser Bubengesichter. Wie der nette Kerl von nebenan. Es gibt so Männer, die sehen noch mit 50 aus wie Jungs. Er hat winzige Grübchen und schöne blaue Augen. Ich wische mir schnell die Tuscheränder unter den Augen weg. So gut das halt ohne Spiegel geht. Es scheint aber nicht so, als hätte er Interesse an mir. Gut – welcher passable Mann verguckt sich schon in eine Kleinkriminelle? Bin ich jetzt eigentlich vorbestraft? Und wenn schon. Da gibt es ja noch ganz andere. Politiker, Promis und Konsorten. Immerhin – ich befinde mich in illustrer Gesellschaft.
    »So, da wären wir denn«, unterbricht die RTL -Frau meine Gedanken. »Sie wohnen aber nett hier draußen«, fügt sie noch hinzu. Was will mir das sagen: Sie wohnen aber nett? Heißt das, hätte ich nie gedacht bei einer wie Ihnen oder meine Güte ist das piefig oder das liegt ja am Arsch der Welt, oder wollte sie einfach nur so etwas wie gepflegte Konversation machen? Wie selbstverständlich steigen die beiden mit aus. Muss ich die jetzt noch auf einen Kaffee reinbitten? Meine neuen Fernsehfreunde. Genau genommen könnte ich sie sogar Kollegen nennen. Schließlich habe ich bis zu Marks Geburt ja selbst ein paar Jahre beim Fernsehen gearbeitet. Gut, nicht bei RTL , sondern bei einem kleinen Murkelsender und auch nicht als Reporterin,
sondern als Redaktionsassistentin, aber gleiche Branche ist gleiche Branche. »Ich war auch beim Fernsehen«, versuche ich, mich doch mal in anderem Licht zu zeigen. Man möchte ja als Persönlichkeit und nicht nur als Schwarzfahrerin
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