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Familienpackung

Familienpackung

Titel: Familienpackung
Autoren: Susanne Fröhlich
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auf der Hausfrauen-Komplimente-Skala. Man muss schon ein arg bescheidenes Gemüt haben, um damit zufrieden zu sein. »Was Süßes«, krakeelt mein Sohn und reißt mich aus meinem mentalen Gejammer. »Erst wird der schöne Fisch mit dem Spinat gegessen und dann gibt’s zum Nachtisch auch was Süßes«, antworte ich. »Nein«, sagt mein Sohn. Einfach nein. Typisch Mann, schon in dem Alter. Keine großen Erklärungen. Keinesfalls zu viel reden. Ein schlichtes klares Nein. Das ist einer dieser klassischen Momente. Jetzt heißt es konsequent sein. »Mark, du isst wenigstens noch ein Fischstäbchen und dann kannst du gerne was Süßes haben«, rede ich betont gelassen und sachlich auf das kleine zornrote Etwas neben mir ein. Ich bin die Chefin im Ring, ich habe alles unter Kontrolle, ich lasse mich von einem minderjährigen Kerl doch nicht in die Knie zwingen. Er guckt mich an, plustert sich auf wie ein Pfau, ist völlig
unbeeindruckt von meinem stoischen Gesicht und klatscht den Löffel in den Teller. Volle Pulle. Der Spinat spritzt auf mein Oberteil und zeitgleich fängt er an zu kreischen. Schrill wie eine Sirene. Der spinnt wohl! Wer hat denn den Spinat auf der Bluse hängen? Er oder ich? Ich überlege. Habe den primitiven Drang, selbst loszukreischen, ihm ein paar zu scheuern, weiß aber, dass man ein Kind nun mal nicht haut, entscheide, den Teller zu nehmen, ihn in die Küche zu räumen und den Mini-Terminator einfach sitzen zu lassen. »Wenn du dich abgeregt hast, kommt Mama wieder«, sage ich in sein Gekreische. Nichts wie weg. Mark sitzt festgeschnallt in seinem Stühlchen und schreit einfach weiter. Schön wäre es, den Stuhl mitsamt Kind einfach vor die Tür zu stellen und auszuharren oder währenddessen eine schöne Runde shoppen zu gehen. In aller Ruhe. Weit weg vom Gebrüll. Unter den nachbarschaftlichen Blicken wäre der bestimmt schnell still. Andererseits würde diese Tat sicherlich als öffentliches Eingeständnis einer gewissen Erziehungsunfähigkeit oder wahlweise als brutale Herzlosigkeit gewertet werden, und keine der Möglichkeiten erscheint mir allzu verlockend.
    Es dauert knapp sieben Minuten. Sieben Minuten Sex sind wenig (je nachdem mit wem allerdings!), sieben Minuten Geschrei ziemlich viel. Im Leben ist alles relativ. Das Kind hat eine gewisse Ausdauer. Das hat es von seinem Vater. Ich gebe in aussichtslosen Situationen wesentlich schneller klein bei. Einfach aus Gründen der Rationalität. Angeblich eine männliche Eigenschaft. In unserer Familie wohl weniger. So richtig entspannt fühle ich mich in den sieben Minuten auch nicht. Sei’s drum.
    Endlich. Er hat aufgegeben. Als ich wieder vor ihm stehe,
grinst er. Ein richtig breites Grinsen mit Mausezähnchen. Niedlich. »Vorsicht, Andrea, der wickelt dich gerade um seine kleinen Wurstfingerchen«, ermahne ich mich schnell selbst. »Was Süßes?«, fragt er und zeigt nochmal eine stattliche Reihe Milchzähne. Was nun? Den kalten Spinat kann ich ihm schlecht wieder auftischen. Ist auch schon längst in der Tonne. Immerhin hat er sich abgeregt und wahrscheinlich kann er sich sowieso nicht mehr an unsere zugegebenermaßen eher einseitige Abmachung erinnern. Ich gebe ihm eine Hand voll Gummibärchen und weiß: Konsequenz ist was anderes. Aber ein Schreianfall pro Tag reicht mir einfach.
     
    Heute Mittag gibt’s ein weiteres Muttihighlight. Kinderturnen. Die lieben Kleinen sollen ja motorisch gefördert werden. Kinderturnen ist hier auf dem Land Pflicht. Ein Kind, selbst ein Kleinkind, das wöchentlich nicht mindestens zwei Termine hat, gilt schnell als wunderlich. Oder die Mutter als faul. Unambitioniert. Kinder sind das Erfolgsbarometer der Neuzeit. Zeige mir, was dein Kind kann, und ich sage dir, ob du als Mutter etwas taugst. Das kann einem ziemlich auf den Keks gehen. Je länger ich im akuten Muttigeschäft bin, desto mehr. Trotz alledem schaffe ich es nicht, mich auszuklinken. Nein zu sagen. Es wäre ein bisschen so, als ob man als Einzige nicht mitspielen wolle. Eine Spielverderberin. Wer die Regeln verletzt, ist raus. Stellt das gesamte Spiel infrage und verursacht den anderen schlechte Laune. Und das will ich ja nun auch nicht. Also Augen zu und durch. Es sind ja nur noch etwa fünfzehn Jahre. Wenn die Kinder in der Schule sitzen bleiben, werden es noch ein, zwei Jährchen mehr. Manchmal würde ich mich am liebsten ins Bett
legen, mir die Decke über den Kopf ziehen und warten, bis all das vorbei ist. Ein merkwürdiges Dilemma.
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