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Falsche Schritte, dunkle Pfade (German Edition)

Falsche Schritte, dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Falsche Schritte, dunkle Pfade (German Edition)
Autoren: Andreas Kimmelmann
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Flasche eingefüllt hatte. Der Deckel wäre der einzige Anhaltspunkt gewesen, den man nach Martins Tod hätte finden können – aber nun war er in Edgars Besitz, bereit, bei der ersten Gelegenheit zu verschwinden.
    Edgar erinnerte sich an Martins Glückwünsche, als er noch zu Studienzeiten den Platz für das sechsmonatige Praktikum in Borneo bekommen hatte. Jahrelang hatte Edgar sein damaliges Mitbringsel aus Borneo für sich behalten. Diese wunderbare, unscheinbare Pflanze, das Geschenk des alten Stammeshäuptlings, dessen Sohn er wiederbelebt hatte, nachdem er in den Fluss gefallen war. Die, aus der man dieses wunderbare Serum machen konnte, das sich jetzt in Martins Cola befand.
    „Aber ich will doch niemanden umbringen“, war Edgars Antwort nach der Erklärung des alten Mannes über die Wirkung des Serums gewesen.
    „Eines Tages musst du vielleicht“, hatte dieser nur mit einem düsteren Blick geantwortet.
    Die Pflanze war mit Edgar nach München gereist. Er hatte Versuche an Ratten damit unternommen und festgestellt, dass die Aussagen des Alten stimmten.
    Das Serum war nicht nachweisbar. Weder in der Cola noch in Martins Magen würden Spuren gefunden werden. Der Mageninhalt könnte ohnehin keinen Aufschluss geben, denn das Gift wirkte nicht im Magen, sondern an den Schleimhäuten, vor allem an Lippen, Zunge, Gaumen und Rachen. In spätestens einer Stunde dürfte Martin die Symptome einer leichten Grippe bekommen, völlig unverdächtig. Am Abend dann sollte das Fieber kommen. Und steigen. Und steigen. Aber Martin müsste sich nicht lange mit der Krankheit herumquälen. Die Nacht würde er nicht überleben.
    Wahrscheinlich dürfte sein plötzlicher tödlicher Fieberanfall eine Panik in seiner Klinik auslösen. Mit Sicherheit bedeutete das Quarantäne für etliche Klinikmitarbeiter und Patienten, die mit ihm Kontakt gehabt hatten. Aber das interessierte Edgar nicht. Wenn man einmal soweit war, seinen eigenen Bruder umzubringen, machte man sich um andere Leute nicht mehr all zu viele Gedanken.
    Der Entschluss, Martin umzubringen, war langsam gereift. Er wusste nicht, ob Martins Tod seine Ehe retten konnte, aber er wollte es auf einen Versuch ankommen lassen. Nach dem Entschluss hatte er natürlich sofort an das Serum gedacht und war sehr froh gewesen, sein Geheimnis all die Jahre für sich behalten und niemandem davon erzählt zu haben. So könnte niemand Verdacht schöpfen.
    Er hatte Martin vorgeschlagen, zu dem Fußballspiel zu gehen. Er wollte neutralen Boden haben, seinen Bruder irgendwo vergiften, wo nichts auf ihn zurückfallen konnte. Ein Fußballstadion. Wie in alten Zeiten. Sollte Martin nur glauben, dass sie wieder anbrachen. Wenn sie es taten, dann ohne ihn. Seine Zeit war vorbei.
    „Komm, blas!“, rief sein Bruder und knuffte ihn in die Seite.
    Die Colaflasche war noch immer unberührt.
    Vor lauter Tröten vergisst er noch das Trinken, dachte Edgar.
    Gehorsam setzte Edgar seine Vuvuzela an und blies zum letzten Zapfenstreich für seinen Bruder.
    Als er da saß, musste er an ein Gartenfest in ihrer Kindheit denken, an ihren Vater, der kurz danach seinem Krebsleiden erlegen war. An diesem Tag hatte ihr Vater für ihn und Martin auf seiner geliebten alten Trompete gespielt. Es war das letzte Mal gewesen. Zwei Wochen später musste er sich in aller Stille von seiner Frau und seinen beiden Söhnen verabschieden.
    Ihr Vater war auch immer mit ihnen ins Fußballstadion gegangen. Sie hatten gejubelt, gelacht und ... wer weiß, würde ihr Vater heute hier bei ihnen sitzen, vielleicht würde er auch in eine Vuvuzela blasen.
    Edgar bemerkte, dass ihm die Tränen die Wangen hinabliefen, als er seine Vuvuzela absetzte.
    Martin sah ihn zuerst verwundert, dann verständnisvoll von der Seite an.
    „Ich musste auch gerade an Papa denken“, meinte Martin. „Fußballstadion und ein Instrument, das an eine Trompete erinnert ... daran hab ich natürlich nicht gedacht.“
    „Ist ja nicht deine Schuld“, meinte Edgar und wischte sich die Tränen mit seiner Jacke ab.
    „Ich wünschte, er wäre heute hier bei uns“, seufzte Martin und führte die Colaflasche in Richtung Mund.
    Edgar wusste später nicht mehr, woher der Entschluss gekommen war. Aber plötzlich überkam ihn das übermächtige Gefühl, dass er das hier seinem Vater nicht antun konnte.
    „Prost!“, brüllte er, woraufhin seine Hand, in der er seine eigene Flasche hielt, schnell wie eine Schlange auf Martins Flasche zuschoss und sie ihm aus der Hand
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