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Falsche Schritte, dunkle Pfade (German Edition)

Falsche Schritte, dunkle Pfade (German Edition)

Titel: Falsche Schritte, dunkle Pfade (German Edition)
Autoren: Andreas Kimmelmann
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den Tisch.
    „Das ... das ist mein Tagesbericht von gestern“, stellte Kurt wie tags zuvor fest.
    „Richtig. Ihr Tagesbericht von gestern. Und was könnte damit nicht in Ordnung sein?“
    „Ich ... ich weiß nicht ...“
    „Na, dann lesen Sie ihn doch einmal vor“, sagte Kleinert mit unglaublich müde klingender Stimme. „Ab 15.00 Uhr, wenn ich bitten darf.“
    Kurt zögerte einen Moment, dann las er mit belegter Stimme vor: „15.00 Uhr bis 15.30 Uhr, Bearbeitung des Vorgangs Zielmann, Hannelore. 15.30 Uhr bis 16.00 Uhr ...“
    Kurt konnte nicht weiter sprechen. Sein Atem stockte und er spürte, wie alles Blut aus seinem Kopf wich. Konnte das wirklich sein? Konnte er das geschrieben haben?
    „Oh, Waldmann“, seufzte Kleinert und schüttelte ungläubig den Kopf.
    Die beiden Polizisten bauten sich hinter Kurt auf. Einer zog ihn nach oben, der andere legte ihm Handschellen an. Kurt leistete keinen Widerstand. Er starrte immer noch wie im Delirium auf das, was in seinem Tagesbericht vom Vortag stand:
    15.30 Uhr bis 16.00 Uhr, Ermordung der Kollegin Regina Königstein. 16.00 Uhr bis 16.30 Uhr, Bearbeitung des Vorgangs Zimmermann, Bruno. 16.30 Uhr bis 16.55 Uhr, Bearbeitung des Vorgangs Zinneisen, Margit. 17.00 Uhr: Feierabend.
     

V WIE VUVUZELA
     
    Edgar hörte den Lärm der Schlachtenbummler nicht, als er auf das Stadion zuschritt. Er sah sie umherhüpfen, laufen, grölen und in ihre Vuvuzelas blasen. Aber er konnte sie nicht hören. Um ihn herum schien alles still zu sein. Es war die Stille des Todes, die ihn umgab.
    Edgar kannte sie seit jeher, wann immer er sich auf eine Sache konzentrieren musste. Schon im Medizinstudium hatte er sich hin und wieder, wenn ihm eine der zahllosen Studentenpartys zu langweilig geworden war, einfach mit einem Lehrbuch in eine Ecke gesetzt und gelernt. Musik und Lärm um ihn herum sowie der Spott der anderen Studenten waren ausgeblendet gewesen. Sobald ihm ein Ziel klar vor Augen stand – und sei es nur, die Leberfunktionen innerhalb von zwei Stunden für die Prüfung am nächsten Tag intus zu haben – verfolgte er es und Nichts und Niemand konnte ihn davon ablenken.
    Ganz anders Martin. Sie waren schon immer sehr ungleiche Brüder gewesen, aber im Studium hatte sich das besonders herauskristallisiert. Obwohl Martin ein gutes Jahr jünger war, hatte er zeitgleich mit Edgar mit dem Medizinstudium begonnen – schließlich war Martin in der Lage gewesen, sich vor der Bundeswehr zu drücken. Saß Edgar selbst auf Partys mit seinen Büchern in der Ecke, machte Martin selbst an Lernabenden Party. Jeder ihrer Mitstudenten hatte erwartet, Edgar sollte die große Karriere machen und Martin ... na ja, Martin würde sein Ding schon irgendwie machen.
    Jetzt, fünfzehn Jahre nach Ende des Studiums, war Martin Oberarzt in einer der renommiertesten Privatkliniken in München und Edgar hielt sich mit Müh und Not mit einer Landarztpraxis 60 Kilometer von München entfernt über Wasser. Auch privat lief es mittlerweile für Martin besser. Während Edgar kurz nach dem Studium seine große Liebe Sabine geheiratet hatte, war Martin wie schon zu Studienzeiten dabei geblieben, sich mit wechselnden Liebschaften zu vergnügen. War Martins Liebensleben so all die Jahre gleich geblieben, hatte das von Edgar sich immer mehr verschlechtert. Seit drei Jahren schliefen er und Sabine nicht mehr miteinander, seit etwa einem Jahr sprachen sie auch nicht mehr miteinander.
    Edgar wusste schon lange, dass Sabine eine Affäre unterhielt, aber ...
    Edgar schüttelte die trüben Gedanken ab und stieg den Rang zu seinem Platz hinunter. Erst jetzt erlaubte er sich für einen kurzen Moment, seine Umgebung wahrzunehmen. Mit einem Mal fiel die konzentrierte Stille um ihn herum ab und der Lärm traf ihn wie ein Hammerschlag auf den Kopf.
    Vuvuzelas! Wenn Martin und er früher mit ihrem Vater ins Fußballstadion gegangen waren, hatten sie Gegröle und Fangesänge gehört. Und nun nur noch diese Vuvuzelas! Was sollten die hier im Stadion? Bei der WM in Südafrika, in Ordnung, aber die war lange vorbei.
    Er wünschte sich die Stille zurück, als er auf Martin zuging, der schon auf seinem Platz saß, denn er fürchtete, sein Kopf würde von dem ganzen Getröte um ihn herum zerspringen.
    Martins Anblick trug nicht gerade zur Hebung seiner Stimmung bei. Das war ihm schon vorher klar gewesen, doch nun verstärkte sich das Gefühl. Denn Martin hielt ausgerechnet zwei schwarz-rot-gelb lackierte Vuvuzelas in der Hand, als er
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