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Falsche Nähe

Falsche Nähe

Titel: Falsche Nähe
Autoren: Alexandra Kui
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und heizt das Blut auf. Genau das Richtige, um sich zu verlieben. Und der perfekte Kandidat steht schon in den Startlöchern. Wir haben heute Morgen noch telefoniert. Er freut sich.«
    Audrey und Julian tauschen vielsagende Blicke aus, während bei Noa in Zeitlupe der Groschen fällt. Darum geht es also, deshalb die ungewöhnliche Reise. Audrey soll auf Mallorca verkuppelt werden. Das allein ist nichts Besonderes, das haben schon ganz andere versucht. Ungewöhnlich ist Audreys unverhohlene Bereitschaft, sich diesmal darauf einzulassen. Noa rätselt, was es damit auf sich hat.
    Im Meer, endlich. Noa hat diesen Moment so herbeigesehnt, dass es sie nicht stört, ihn allein genießen zu müssen, da Audrey sich erwartungsgemäß ums Schwimmen drückt. Soll sie. Wenn sie ehrlich ist, kann Noa die Ruhe gut brauchen, nach dem ganzen Geschwätz in der Bar. Nur sie und das leise Zischeln der Wellen auf Kies. Eine private Bucht, genau wie erhofft. Ausschließlich die Bewohner der sandsteinfarbenen Villen, die sich architektonisch mehr oder weniger gelungen an die bewaldeten Felshänge schmiegen, dürfen an diesem exklusiven Fleckchen Erde ins Wasser gehen.
    Das Mittelmeer zeigt sich in seinen schönsten Farben, genau so, wie Noa es sich vorgestellt hat, dabei allerdings beinahe ein bisschen zu warm, beinahe Badewannentemperatur, weshalb sie entgegen ihrer Gewohnheit kein Kraultraining absolviert, sondern sich faul auf dem Rücken treiben lässt und über ihre berühmte Schwester nachgrübelt.
    Audrey und die Männer. Solange Noa denken kann, ist sie nie eine längere Beziehung eingegangen. Ausgehen ja, ab und zu bleibt auch mal ein Typ über Nacht, doch das war es dann. Sie ist jung, hübsch und hat einen faszinierenden Beruf, an Verehrern herrscht demzufolge kein Mangel. Bislang schien sie einfach nie bereit, sich ernsthaft auf jemanden einzulassen, was sicher auch daran liegt, dass sie allein die Verantwortung für ihre kleine Schwester zu tragen hat. Audrey will ihre Sache als Mutter- und Vaterersatz unbedingt gut machen, das weiß Noa, und sie findet, es gelingt ihr hervorragend. Wer sonst hat mit siebzehn schon das Glück, ein so freies Leben zu führen – und sich dennoch aufrichtig geliebt zu wissen? In ihrem Freundeskreis jedenfalls niemand.
    Sie haben nie darüber gesprochen, aber Noa ist stets davon ausgegangen, dass Audrey die Männer auch weiterhin auf Distanz halten würde, und zwar so lange, bis sie selbst alt genug ist, um auf eigenen Beinen zu stehen. Die Vorstellung, sich ausgerechnet jetzt, in der Vorbereitungsphase fürs Abi, auf neue Verhältnisse einstellen zu müssen, behagt ihr nicht.
    Noa dreht sich auf den Bauch und schwimmt einige kraftvolle Züge Richtung offenes Meer. So weit draußen sind die Wellen höher und der Wüstenwind peitscht ihr mit atemberaubendem Schneid ins Gesicht. Noa bietet den Elementen die Stirn. Wenn Audrey sie so zu sehen bekäme. Dass Noa ausgerechnet im Wasser derart tollkühn agiert, ist ihr, der Nichtschwimmerin aus Überzeugung, nicht geheuer, obwohl sie in anderen Lebenslagen für gewöhnlich die Mutigere von ihnen beiden ist. Sie sind eben sehr verschieden. Vielleicht ergänzen sie sich deshalb so wunderbar – und das soll bitte auch so bleiben. Never change a winning team. Nur die Ruhe, ermahnt sich Noa in Gedanken. Noch ist ja überhaupt nichts passiert.
    Um mehr über den geplanten Verkuppelungsversuch herauszufinden, lässt sie sich nach dem Baden auf einer Liege am Pool nieder, wo Audrey und eine Handvoll weitere Frauen aus der Bar-Clique eine XXL- Flasche Champagner in Angriff genommen haben. Im Vergleich zu ihnen kommt sich Noa in ihrem kindlich bunten Bikini ohne Push-up-Einlagen wie ein kleines Mädchen vor.
    Unterdessen laufen im Hintergrund die Vorbereitungen für die Party am Abend: Ein DJ baut seine Anlage auf und testet diverse Mikrofone, indem er reihenweise seltsame Geräusche von sich gibt und damit in der Champagnerrunde für Heiterkeit sorgt. Audrey, nebenbei mittels iPad mit ihrem Twitter-Account beschäftigt, wirkt gelöst. Eigentlich eine gute Gelegenheit, sie auszuhorchen. Noa gibt ihr Bestes, aber sie beißt auf Granit.
    Was sie hingegen erfährt: Julian zelebriert keineswegs seinen Geburtstag, sondern den gesellschaftlichen Aufstieg zum Blaublüter. Nachdem er mit einem selbst erdachten Internetportal zum Millionär wurde, gelang es ihm anscheinend, irgendein abgebranntes Mitglied des deutschen Hochadels dazu zu überreden, ihn zu adoptieren.
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