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Fall bloß nicht auf!

Fall bloß nicht auf!

Titel: Fall bloß nicht auf!
Autoren: Tim Bowler
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Halle vorbei, über den Lkw-Parkplatz, bis zu den Mülltonnen, dann über die niedrige Mauer. Auf der anderen Seite der Mauer hinunter bis zum Reifenlager, am Schweißgerät vorbei über den Hof des Bauunternehmens.
    Halt, setz dich hier an die Wand, atme durch, denk nach.
    Ich kann jetzt nicht denken. Ich sehe immer noch Mary vor mir. Ich bin hart mit ihr umgesprungen. Sie hat mich zwar angelogen, aber sie hat mir geholfen, hat mir Geld angeboten. Ich hätte es behalten können. Die Joggerinnen haben Reißaus genommen, aber Mary ist stehen geblieben und hat mir geholfen.
    Schau mich nicht so an. Ich fühle mich auch so schon mies genug. Du musst mich nicht auch noch so vorwurfsvoll ansehen.
    Mary. Ich sehe immer noch ihre Augen, sehe den Kerzenschein auf ihrem Gesicht.
    Weiter jetzt. Weiter.
    Ich stehe auf. Besser fühle ich mich nicht, aber ich bin wieder auf den Beinen und weiß, was ich tun werde. Für Mary kann ich nichts mehr tun, aber diesen Kerlen kann ich vielleicht einen Strich durch die Rechnung machen. Denk nach, los, denk nach. Bring dein Gehirn auf Trab.
    Auf die andere Seite des Hofes, das ist besser. In Bewegung sein ist gut, denken ist gut. Über den Zaun am Ende des Grundstückes. Es wird schon dunkel. Drüben in der City ist alles erleuchtet, aber hier ist es dunkel. Die Lichter könnten genauso gut vom Mars kommen.
    Da ist das Handy. Ich bete, dass es keiner kaputtgemacht hat. Von außen sieht es gut aus. Mal ausprobieren. Der Wählton kommt. Atme ruhig durch, beruhige dich, denk nach. Ich hasse es, mit den Bullen zu reden. Noch einmal durchatmen. So, jetzt.
    Neun … neun … neun.
    Prompte Verbindung. Eine Frauenstimme, angenehm, freundlich. Mit so jemand würde man gern reden. Aber ich schaffe es einfach nicht. Schau mich nicht so an. Ich schaffe es nicht, Punkt. Sie redet weiter, fragt mich, mit welcher Dienststelle ich verbunden werden möchte.
    Ich kappe die Verbindung.
    Ich muss nachdenken, ich muss allein sein und in Ruhe nachdenken. Wo, das weiß ich schon. Aber das bedeutet, dass ich dich ins Vertrauen ziehen muss.
    Nun hör zu, denn ich werde dir etwas sagen, was bisher keiner weiß und ich bin mir nicht sicher, ob ich dir vertrauen kann. Nein, anders. Ich vertraue dir nicht, kein bisschen.
    Warum sollte ich auch? Ich kenne dich ja gar nicht. Ich habe dir meinen Lieblingsnamen verraten, mehr nicht. Du hängst hier nur herum. Vielleicht hast du gedacht, dass es scheiße von mir war, Mary nicht zu vertrauen. Das war nicht scheiße. Wenn du erlebt hättest, was ich in vierzehn Jahren alles durchgemacht habe, dann wärst du auch misstrauisch. Und du hättest genauso wenig Lust, mit Bullen am Telefon zu reden.
    Woher weiß ich denn, dass du mich nicht reinlegst? Ich riskiere es mal mit dir. Heute Abend brauche ich jemanden, der mir zuhört. Aber was ich dir sage, das behältst du für dich, abgemacht? Gut, also Folgendes.
    Die meisten Straßenkids wie ich machen es nicht lange. Eine Weile pennen sie draußen, frieren sich den Arsch ab und ehe sie’s richtig merken, hängen sie an der Nadel und gehen vor die Hunde. Oder sie werden von den Bullen fertiggemacht, und wenn nicht die, dann kommen andere Typen und nutzen sie aus, verstehst du, was ich meine?
    Oder sie sind gleich tot.
    Oder sie gehen heim zu Mama.
    Bei mir ist das anders. Warum? Ich hab dir gesagt, dass ich anders bin. Ich muss nicht oft draußen pennen. Fünf von sieben Nächten in der Woche mache ich es mir irgendwo gemütlich und keiner kriegt mich dran. Denn keiner weiß, dass ich überhaupt dagewesen bin.
    Wie ich das mache? Ganz einfach. Einfach und clever zugleich.
    Erstens mal musst du die Stadt kennen. Dieser Lady muss man auf die Schliche kommen. Sie ist schwierig, sie ändert sich ständig. Mal ist sie eine Königin, mal eine Hyäne. Und sie ist groß, richtig groß.
    Das kann was Gutes haben, aber auch was Schreckliches. Alles hängt von ihrer Stimmung ab. Sie liebt dich und im nächsten Augenblick will sie dir den Kopf abbeißen. Ich mag sie nicht immer, aber ich habe Respekt vor ihr. Vor allem aber kenne ich sie.
    Ich kenne sie wie kein Zweiter. Ich habe dir schon früher einmal gesagt, dass ich Dinge sehe, die sonst niemand sieht. Und manchmal hat es den Anschein, als ob ich alles sehe, was passiert.
    Du grinst mich an.
    Tu nicht so, ich sehe, dass du grinst. Lass das, ich sage die Wahrheit. Ich sehe,
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