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Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken

Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken

Titel: Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
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Steg an und Händler kamen, um ihre Waren und Lebensmittel gegen die Heilkräuter und Salben seiner Mutter zu tauschen. Wie oft träumte der Junge davon, eines Tages in eines der Boote zu springen, wenn sie wieder ablegten, oder einfach loszuziehen und immer weiterzugehen, auch nachdem die Sonne längst untergegangen war. Seit kurzem träumte er sogar davon, wie ein Marvenfalke fliegen zu können. Aber natürlich wusste er, dass er seine Mutter nicht allein zurücklassen konnte. Er würde nur gehen, wenn sie mit ihm kam, aber er glaubte nicht, dass es so bald passieren würde.
    Alduin seufzte, als er aus seinen Tagträumen erwachte. Die Sonne war inzwischen schon recht weit über den Himmel gewandert und es wurde allmählich kühler. Ihm war klar, dass das Ei nur durch die Sonne warm gehalten wurde und dass die Wärme jetzt rasch nachließ. Wenn die Falken nicht bald zurückkehrten, würde das Ei Schaden erleiden. Der vertrauensvolle Blick des Falkenweibchens kam ihm wieder in den Sinn; Alduin verdrängte die letzten Zweifel, die ihm durch den Kopf schossen, und zog sein moosgrünes Leinenhemd aus. Dann reckte er sich wieder über die Felskante und ließ das Hemd sanft über das Nest in der Felsspalte fallen. Er hoffte, dass es dem Ei Schutz und Wärme bieten würde. Doch als ein kühler Windstoß herauffegte und um die Felsen tanzte, wurde ihm klar, dass das Hemd nicht ausreichen würde. Er suchte nach Stellen im Felsen, die seinen Füßen sicheren Halt boten, und entdeckte auf einer Seite einen schmalen Felsvorsprung. Nur eine Handbreit daneben gähnte der gewaltige Abgrund. Aber Alduin achtete nicht auf die Schwindel erregende Tiefe. Er legte sich flach auf den Felsen, drehte sich langsam und rutschte vorsichtig nach unten. Seine Zehen ertasteten den schmalen Vorsprung und er prüfte die Standfestigkeit, wobei er gleichzeitig mit den Fingern in den schmalen Felsspalten nach Halt suchte, falls der Fels unter ihm plötzlich wegbrechen sollte. Aber er trug sein Gewicht. Langsam bewegte er sich auf dem Vorsprung entlang, bis das Ei in Reichweite lag, beugte sich vor und hob es zusammen mit dem Hemd hoch. Äußerst behutsam legte er es auf die Felsplatte über seinem Kopf und schob es von der Kante zurück, bis es in einer kleinen Mulde sicher zu liegen kam. Dann kletterte er wieder vorsichtig zurück. Er zitterte vor Anstrengung, der Schweiß lief ihm über das Gesicht und Lichtblitze zuckten vor seinen Augen. Er blieb still liegen, bis sich sein Herzschlag wieder beruhigte und sich seine Muskeln entkrampften. Erst jetzt nahm er das Ei mit beiden Händen und ging ein Stück weiter, bis er eine geschützte Nische fand, die noch von den letzten Strahlen der Abendsonne erwärmt wurde. Dort setzte er sich, lehnte sich gegen einen Felsbrocken und hielt das sorgsam umhüllte Ei dicht an sich. Er hoffte, dass sein Körper es wärmen würde, sodass das Falkenjunge eine Überlebenschance bekam. Eine unheimliche Unruhe kam in ihm auf - und in diesem Moment wusste er, dass das Falkenpärchen nicht mehr zurückkehren würde. All das war ihm ein Rätsel und überstieg sein Vorstellungsvermögen; er hatte plötzlich das Gefühl, in einen Strudel von Ereignissen hineingezogen worden zu sein, die ihn mitrissen - wie ein Herbstblatt, das im Fluss tanzte. Ohne zu wissen, warum, wurde ihm plötzlich klar, was er tun musste.
    Sorge für ihn ... Hatte ihm das der Wind zugeflüstert oder war das nur Einbildung? Auf jeden Fall war Alduin klar, dass er nicht die ganze Nacht hier oben zubringen konnte. Der Frühling hatte gerade erst begonnen, und obwohl es tagsüber schon recht warm wurde, gab es nachts doch manchmal noch Frost. Es blieb ihm also gar keine andere Wahl, als das Ei mit nach Hause zu nehmen - wie ein kostbares und unerwartetes ... Geschenk.
     

     
    Es war schon dunkel, als Alduin das kleine Haus erreichte, in dem er lebte. Er stieß die Haustür auf. Seine Mutter stand am Kamin und blickte mit besorgtem Gesichtsausdruck auf, der aber rasch verflog und einem strahlenden Lächeln Platz machte, als sie sah, dass er es war.
    »Heute kommst du aber sehr spät zurück! Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
    »Ich ... tut mir Leid. Sieh mal.« Er öffnete das Hemd und zeigte ihr das Ei. Sie schlug erschrocken die Hand vor den Mund.
    »Das ist ein Falkenei! Woher wusstest du ...?«
    »Dass die Mutter nicht mehr zurückkommt?« Eigentlich hatte sie etwas anderes fragen wollen, aber das merkte Alduin nicht. »Ich bin nicht sicher. Ich
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