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Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken

Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken

Titel: Falkensaga 01 - Der Schrei des Falken
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Gebirge hinüber. Instinktiv schloss er die Augen, spürte, wie seine Gefühle hinausströmten, wie die Zeit sanft über ihn hinwegglitt, bis sie sich in der Vergangenheit und in der Zukunft verlor. Er wusste nicht, wie lange er schon so gestanden hatte, als plötzlich ein Schatten über ihn zog. Er öffnete die Augen. Zwei Falken glitten auf ihn zu. Er hob die rechte Hand zum Schutz gegen die blendende Sonne, dann streckte er den Arm aus und hielt den Atem an, während sie näher kamen. Er erschrak heftig, als das Weibchen plötzlich herabschoss und auf seinem Unterarm landete. Der Vogel war sehr schwer und sein fester Griff ließ Alduin vor Schmerz aufstöhnen, aber er biss die Zähne zusammen und hielt den Arm mit all seiner Kraft. Die Schönheit des Falkenweibchens überwältigte ihn beinahe - der majestätische Kopf mit Augen, so dunkel wie eine Sommernacht, das schillernde Gefieder und die scharfen Krallen an ihren mächtigen Fängen. Mit atemloser Verwunderung starrte er sie an und ließ sich von ihrem Blick völlig bannen; er spürte, dass er eine andere Welt betrat, in der es nur ihn und den Falken gab. Wieder nickte die Falkenmutter mit königlicher Würde. Sie schien ihm ihre Zustimmung mitzuteilen; dann schwang sie sich von seinem Arm hoch und flog zu ihrem Gefährten zurück. Ein Schrei aus zwei Vogelkehlen erscholl; die beiden Falken wendeten und tauchten ein in die tief hängenden Wolken.
    Alduin ließ sich auf den Boden fallen und betastete seinen Arm. Doch alle Schmerzen konnten seine Freude nicht zerstören: Der Falke hatte ihn wissen lassen, dass er mit allem einverstanden war. Für Alduin gab es jetzt nicht mehr den geringsten Zweifel, dass er dazu bestimmt gewesen war, das Ei mit sich zu nehmen. Er verstand nicht, warum all das geschehen war, aber er fügte sich in seine Bestimmung. Und er sandte den Vögeln, die in der Ferne verschwanden, eine stille Botschaft nach: Ich werde für ihn sorgen ...
    Lange Zeit saß er auf dem Felsen. Als er sein Handgelenk betrachtete, sah er, dass sich die Krallen tief in seine Haut eingegraben hatten, als trüge er ein breites Armband. Seltsamerweise verschwanden die Wundmale nicht, sosehr er auch daran rieb. Plötzlich empfand er eine Scheu, sein Handgelenk offen zu zeigen. Er rollte den Ärmel hinunter, sodass er die Stelle völlig bedeckte, und machte sich auf den Heimweg.
    Rihscha wuchs so schnell, dass Alduin und seine Mutter Mühe hatten, genügend Futter für ihn zu finden. Sie konnten nicht alle ihre wenigen Hühner nacheinander für ihn schlachten. Aranthia war zwar als Kind zur Jägerin ausgebildet worden, aber sie hatte seither nicht mehr gejagt und es daher auch Alduin nicht beigebracht. Der Junge war ohnehin nicht besonders begierig darauf, wild lebende Tiere zu töten, denn er war überzeugt, dass sie genauso viel Recht hatten wie er selbst, im Wald zu leben. Mit einem hungrigen Falken im Haus war diese Einstellung jedoch nicht sehr hilfreich.
    »Die Sache wächst uns über den Kopf«, murmelte Aranthia eines Morgens und warf Alduin einen prüfenden Blick zu. »Ich weiß, dass du dich seit Jahren danach sehnst, eine Reise zu machen. Vielleicht ist jetzt die Zeit gekommen.«
    »Aber ... wir schaffen es doch!«, antwortete er mit mehr Überzeugung, als sie erwartet hatte.
    Tatsächlich war Alduin erschrocken, als sie den Vorschlag machte zu reisen. Wie oft hatte er davon geträumt, doch jetzt zögerte er seine kleine heimelige Welt einfach zu verlassen, die einzige Welt, die er kannte.
    »Ich meine, wir können doch ein paar Vorräte in Lemrik besorgen, wenn wir nicht mehr genug Futter für Rihscha im Haus haben ...«, fügte er hinzu.
    »Aber es geht doch nicht nur um Rihschas Futter! Ein Falke muss lernen zu fliegen und zu jagen. Und wir müssen auch an deine Ausbildung denken.«
    »Meine Ausbildung? Was meinst du damit?«
    »Alduin, ich denke, du musst dich entscheiden. Du kannst hier bleiben und einfach abwarten, was passiert und welche Beziehung sich zwischen dir und Rihscha entwickelt. Oder du kannst nach Sanforan gehen und eine richtige Falknerausbildung beginnen. Mein Gefühl sagt mir, dass das nicht eine zufällige Verbindung zwischen einem Jungen und einem Falken ist, und ich glaube auch nicht, dass ihr beide dazu bestimmt seid, den Rest eurer Tage hier am Fluss zu verbringen. Welchen Sinn hätte das denn? Ich behaup te nicht, dass ich weiß, was geschehen wird, aber ich spüre, dass da noch etwas anderes ist.«
    Sie brach ab, um Alduin
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