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Falkenmagie

Falkenmagie

Titel: Falkenmagie
Autoren: Katjana May
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aus der der Saft wie Blut über meine Finger rann. Schön, das passte zu Frankensteins Schloss.
    Wie spät es wohl inzwischen sein mochte? Arik hatte zwar gemeint, dass Zeit hier nicht existieren würde, doch mein Körper war davon nicht überzeugt und würde bald nach Schlaf verlangen. Der Gedanke gefiel mir nicht, denn dann wäre ich völlig hilflos und ungeschützt.
    Aber machte das einen großen Unterschied zum momentanen Wachsein?
    Ich seufzte und ging zum Fenster hinüber, denn auch wenn es nicht viel zu sehen gab, wollte ich mich doch noch einmal davon überzeugen, dass es existierte, ein »Draußen«, bevor mir die Atmosphäre hier drinnen gänzlich auf die Stimmung schlug.
    Im nächsten Moment spürte ich einen scharfen Luftzug und stolperte erschrocken zu Boden. Etwas hatte meinen Arm gestreift – etwas, das von außen gekommen war.
    Zu Tode erschreckt rollte ich zur Seite, um einem möglichen Angriff auszuweichen, während ich gleichzeitig panisch den Raum absuchte. Als jedoch nichts weiter geschah, stieß ich die angehaltene Luft wieder aus, setzte mich auf und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Dabei schaute ich schräg nach oben – und entdeckte den Vogel, oben auf einem der leeren Bettpfosten.
    Ich schüttelte den Kopf und schaute noch einmal hin, doch es war und blieb ein Raubvogel, der es sich dort bequem gemacht hatte. Ich kannte mich damit nicht gut aus – ein Falke vielleicht? Seine helle Brust wies dunkle Sprenkel auf und beide Färbungen schienen sich bis unter die Flügel fortzusetzen. Der Schnabel war scharf, die Augen dunkel mit einem gelben Ring um die Pupille. Er machte keine Anstalten, mich anzugreifen, aber ebenso wenig, davonzufliegen.
    Verwundert kam ich auf die Füße und näherte mich vorsichtig. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Und als ich bis auf Armlänge herangekommen war, schüttelte das Tier sein braunes Gefieder und hüpfte vor mir hinab auf den Boden.
    Beinah wäre ich vor Schreck erneut gestolpert, denn der Vogel verwandelte sich noch im Fallen und wurde zu einem Mann in Lederkleidung, der elegant auf den Füßen landete.
    »Ich scheine dich bei jedem Zusammentreffen zu Boden zu werfen«, sagte er, während seine Augen nur langsam wieder menschlich wurden. »Das tut mir leid, aber wir müssen reden.«

V
ier
    Einen Moment lang war ich fassungslos, dann fand ich meine Sprache wieder, zog sie aus einem geballten Wust an Emotionen hervor, die zu klären ich weder die Zeit noch die Geduld hatte. Wut war zumindest die stärkste von ihnen.
    »Du!«, presste ich zwischen den Zähnen hervor. »Ja, verdammt noch mal, wir sollten reden, damit ich endlich, endlich einmal begreife, was hier vor sich geht und warum dauernd Sachen passieren, die eigentlich nicht möglich sind! Und dann bring mich wieder dorthin zurück, woher ich gekommen bin!« Ich hieb mit der Faust gegen den Bettpfosten und bereute es sofort, als Schmerz mein Handgelenk durchzuckte. Zumindest ließ mich das verstummen und verschaffte ihm Zeit, weiterzureden – ruhig und sachlich, als unterhielten wir uns über die Wettervorhersage der nächsten Woche.
    »Ich kann dich nicht zurückbringen, jedenfalls nicht sofort. Hör zu, ich musste das tun, können wir uns darauf einigen? Ich habe dir schon gesagt, dass es mir leidtut, und das meine ich auch so. Hier wirken Kräfte im Hintergrund, die stärker sind, als du dir vorstellen kannst.«
    Ich rieb mir die Handkante, immer noch zornig. »Oh ja, danke, dass du mich an Arik, diesen Spinner, erinnerst. Dein Leben ist ja auch nicht bedroht. Du wirfst ihm ja nur andere zum Fraß vor.«
    »Was weißt du von meinem Leben?« Die Bitterkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Und Arik ist verdammt gefährlich, zumindest für uns alle hier. Dir kann er dagegen nicht wirklich schaden, wenn Ravez mit seiner Theorie Recht behält. Arik weiß es nur noch nicht und das soll auch fürs Erste so bleiben.«
    »Ravez«, ich nickte verächtlich, »noch so ein Spinner. Das hier ist eine einzige Geisterbahn und ich stecke mittendrin fest – dank dir!«
    Jannis zuckte mit den Schultern. »Wir stecken alle mittendrin fest, und du kannst uns helfen, das zu ändern. Darum bist du hier. Und anschließend werde ich dafür sorgen, dass du zurück nach Hause kommst, auch wenn ich noch nicht weiß, wie. Ravez wird es herausfinden. Darauf gebe ich dir mein Wort.«
    Er schaute mich so ernsthaft an, dass die Wut in meinem Gefühlsknoten zusammensank und kurz der Resignation Platz machte.
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