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Falkenjagd

Falkenjagd

Titel: Falkenjagd
Autoren: Susanne Betz
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Caroline fragte
nichts. Sie kannte die Markgräfin lange genug, um zu wissen, dass sie
die Dinge erst einmal in Ruhe überdenken wollte. Von Weitem erblickten
sie Kersmackers mit seinem Falken auf der Faust und gingen auf ihn zu.
Wie oft hatten sie das schon gesehen! Der Falkner warf seinen Vogel in
die Luft, und ein dunkler Punkt schraubte sich mit verträumter
Präzision in den Himmel. Alles andere wurde dann unwichtig. Während sie
das Schauspiel beobachtete, spürte Friederike, dass ihre Gedanken zum
ersten Mal auf seltsame Weise mit in die Lüfte getragen wurden. Genau
so, wie es Charles immer berichtet hatte!
    Sie konnte jetzt leichter und weiter sehen, weit über ihre
Insel hinaus. Sie beobachtete sich einen Moment dabei, wie sie den
toten Offizier sezierte, sein Herz zurücklegte. Dann wurde auch dieses
Bild verschwommen, andere tauchten am Horizont auf, für die es aber
noch gar keine Begriffe gab.
    Der Falke stach herab und schlug irgendein Tier. Vermutlich
ein Kaninchen oder ein Eichhörnchen. Kersmackers gab ihm jedenfalls zur
Belohnung etwas zum Kröpfen.
    Friederike und Caroline wandten sich ab und bogen in einen
schattigen, mit Buchenhecken gesäumten Weg. Sie neckten den Hund und
schleuderten für ihn ein paar Mal einen Stock, den er ihnen immer
wieder vor die Füße legte. Sie waren schon dabei, eine kleine Laube zu
betreten, um eine Weile zu rasten, als sich Friederike noch einmal
umdrehte. Später fragte sie sich oft, warum sie es getan hatte und was
passiert wäre, hätte sie es nicht getan.
    Der Falke stieg gerade wieder auf, weiter und weiter. Sie ließ
ihn nicht aus den Augen, bis sie ihn tatsächlich nicht mehr sah.
    »Caroline, kommen Sie doch mal, sehen Sie noch Kersmackers'
Falken?«
    Friederikes Stimme klang aufgeregt. Sie zeigte mit dem rechten
Arm in den Himmel.
    »Er ist nicht mehr da!«
    »Ich sehe ihn auch nicht«, antwortete Caroline zögerlich,
wunderte sich aber über das Getue um den Vogel. Früher hatte sich
Friederike keinen Deut um die Falknerei des Markgrafen geschert, ja
sich sogar davor geekelt.
    Friederike konnte ihre Augen nicht vom
Himmel nehmen, sie stand wie angewurzelt und schaute und schaute. Aber
Kersmackers' Falke kehrte nicht wieder zurück. Schließlich lief sie zu
der kleinen Anhöhe, wo sie den Flamen vor einer knappen halben Stunde
gesehen hatten. Er war noch da. Zusammengesunken saß er im Gras, die
Falkenhaube in der Hand.
    »Das Falkenweibchen ist weg«, sagte er tonlos, als er die
Markgräfin sah, »sie ist einfach weggeflogen.«
    »Wie kann das sein? Sie war doch abgerichtet.«
    Friederike schrie beinahe, so sehr wühlte sie das auf, was
gerade passiert war.
    »Ich hab so was mein Lebtag noch nicht erlebt. Aber mein
Vater«, erklärte Kersmackers, »hat mich immer davor gewarnt, dass man
bei Falken nie ganz sicher sein kann. Gerade die intelligentesten,
diejenigen, die am besten abgetragen waren, nehmen sich manchmal ihre
Freiheit wieder. Aber das kommt ganz selten vor.«
    Am nächsten Morgen fieberte Friederike
leicht. Trotzdem nahm sie wie üblich ihr kaltes Bad und setzte sich
dann gleich an ihren Schreibtisch. Der Brief, den sie schrieb, war an
den ersten Diplomaten am königlich-dänischen Hof adressiert und recht
kurz. Er enthielt einen sehr ungewöhnlichen Vorschlag.
    Auf die Antwort zu warten hätte ihr zu lange gedauert.
Angesichts der Kriegswirren und unpünktlicher Postkutschen konnte
womöglich ein ganzer Monat vergehen. Stattdessen nähte sie eigenhändig
ihren gesamten Schmuck in ihre Unterröcke. Dabei entdeckte sie auch den
alten Rock wieder, den sie als unverheiratetes Mädchen beim Besuch der
Menagerie in Berlin getragen hatte und an dessen Saum noch immer,
allerdings nur noch ganz blass, der Blutfleck des Huronen zu erkennen
war. Bargeld würde sie, so ihr Plan, nur wenig mitnehmen. Dafür wies
sie ihre jüdischen Bankiers in Erlangen und Frankfurt an, größere
Geldsummen zu transferieren. Ihr Fieber stieg, aber sie beachtete es
nicht. Caroline war besorgt, konnte die Markgräfin aber weder zum
Hinlegen noch zu einem Aderlass überreden. Im Gegenteil: Friederike
hatte viel zu erledigen.
    An einem Morgen Anfang August, pünktlich um
acht Uhr, bestieg sie mit wenig Gepäck und nur einer Zofe die einfache
Postkutsche Richtung Westen. Sie gab sich als Baronin Louise von
Schwaningen aus und blickte, als sie aus dem Dorf fuhren, kein einziges
Mal zurück. Weder ihr Hofmeister noch ihr Verwalter oder der Pfarrer
waren informiert. Nur Caroline
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