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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 7 Das Schloss und seine Geister

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 7 Das Schloss und seine Geister

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 7 Das Schloss und seine Geister
Autoren: Martin Clauß
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war nichts mehr übrig – keines der Scheibenteile war unbeschädigt geblieben, und Hotten hatte alle Splitter entfernt, um jede Verletzungsgefahr auszuschließen.
    Madoka wandte sich nicht um, sah nicht zum Fenster hin. Ihr Blick blieb auf den Beamten gerichtet. Sie wirkte wie eine besonders lebensechte Schaufensterpuppe. Es war unmöglich zu sagen, was in ihr vorging.
    „Hat es einen Unfall gegeben?“, erkundigte sich Fachinger.
    Hotten wollte antworten, aber ihm fiel nichts ein. Die Worte kamen einfach nicht. In seinem Kopf war es schneeweiß. Er fühlte sich wie ein Foto, das man eine Stunde lang im grellen Sonnenschein belichtet hatte.
    Madoka ließ sich Zeit. Sie wich einen Schritt zurück, und der Hauptkommissar nutzte die Lücke, um das Zimmer zu betreten und das Fenster zu untersuchen. Hotten gefiel das überhaupt nicht.
    „Ja, ein Unfall.“ Die Japanerin sprach. Ihr Gesicht war finster wie immer, der Kopf leicht gesenkt, ihre Augen fast völlig unter den Haaren verborgen, die Lippen zwischen den Worten fest verschlossen, als fürchte sie, ihren Atem zu verschwenden.
    Hotten wurde es heiß und kalt. Das Mädchen hatte es ausgesprochen. Gleich würde die Wahrheit auf den Tisch kommen, und dann ...
    „Ein Karateunfall.“
    Fachinger, der eben die Hand nach der Folie ausgestreckt hatte, drehte sich zu Madoka um.
    Das Mädchen hob die rechte Hand mit nervtötender Langsamkeit, machte drei geschmeidige, schwebende Schritte auf das Fenster zu, die wie in Zeitlupe aussahen, und drehte sich dann um ihre Achse, bis ihre Handkante den Kunststoffüberzug berührte. Es war eine Art Schattenboxen – unendlich langsam und leicht. Mit Karate, so wie Werner Hotten es kannte, hatte es wenig zu tun. Und doch lag eine gefährliche Anmut in den Bewegungen. Der Zauber eingefrorener Zeit ...
    „Krrch“, sagte die Japanerin leise. „Das Fenster zerspringt in tausend Scherben.“ Sie war in der Bewegung verharrt, hielt ihre Hand gegen die Folie.
    Der Beamte stand reglos da. Werner Hotten hatte den Raum noch immer nicht betreten, stand im Türrahmen wie ein unbeteiligter Beobachter und wartete.
    Sekunden vergingen. Niemand bewegte sich. Die Blicke von Madoka und dem Hauptkommissar verschmolzen miteinander. Eine halbe Minute lang blieben sie so.
    „Ich verstehe“, sagte Fachinger dann. „Ein Karateunfall. Ich verstehe. Entschuldigen Sie die Störung.“
    „Solche Dinge kommen vor“, hörte Hotten sich plappern. „Wir hatten schon Betten, die zusammenbrachen. Türen, die klemmten, Wasserhähnen, die tropften ...“ Was redete er da eigentlich? Es musste die Erleichterung sein, die ihn zusammenhangloses Zeug reden ließ.
    Ehe er begriffen hatte, was geschehen war, hatte der Polizist das Zimmer verlassen und die Tür geschlossen. Was sich eben in diesem Raum abgespielt hatte, schien etwas mit Hypnose zu tun zu haben. Vielleicht hatte Madoka ein Talent in dieser Richtung – sie wussten wenig über die zierliche Japanerin und ihre Begabungen. Vielleicht war der Hauptkommissar einfach nicht daran gewöhnt, dass ihm jemand mit dieser unverschämten Ruhe begegnete. Noch dazu eine junge Frau. Madokas Auftreten hatte etwas Lähmendes; das war schon immer so gewesen. Die Luft schien zu kristallisieren, wenn sie auftauchte.
    Fachinger drehte sich nun in die Richtung, wo der Flügel endete. „Ich denke“, begann er nachdenklich, „es wird nicht nötig sein, dass Sie mir weitere Zimmer zeigen. Ich möchte Sie nicht länger belästigen. Können Sie Frau Melanie Kufleitner von mir ausrichten, dass Sie bitte morgen früh um 9.30 Uhr in mein Büro kommen möchte? Wir werden noch einige Fragen an sie haben.“
    „Sie ... können sie gleich befragen, wenn Sie wollen. Sie ist hier.“
    „Ich hätte sie lieber auf dem Revier. Wir denken daran, Sie Herrn Leik gegenüberzustellen.“
    „Aha.“ Hotten nickte. „Das ist etwas anderes.“
    „Gut. Dann werde ich jetzt gehen. Ach ja, wenn ich Ihnen einen polizeilichen Rat geben darf: Lassen Sie so bald wie möglich dieses Fenster erneuern.“
    „Das werde ich tun. Gleich nächste Woche.“
    „Soll ich Ihnen einen guten Glaser empfehlen? Ein Vetter eines Kollegen von mir ...“
    Der Beamte stockte mitten im Satz. Sein Blick war auf die letzte Tür auf der linken Seite des Flurs gerichtet. Sie schien ihm jetzt erst aufgefallen zu sein. Er ging darauf zu und betrachtete sie sich genau.
    Der Rektor hielt die Luft an. Also doch! Es war alles einfach zu glatt gegangen. Er hatte nicht
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