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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 7 Das Schloss und seine Geister

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 7 Das Schloss und seine Geister

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 7 Das Schloss und seine Geister
Autoren: Martin Clauß
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gegenüberliegende Dreibettzimmer, das Georg, Enene und Artur gehörte. Die Wand war schnell gebaut – das schwierige war, sie so aussehen zu lassen wie die echte, und daran arbeitete Hotten bis zur letzten Minute wie besessen. Er tauschte die Lampen im gesamten Flur durch schwächere Birnen aus und setzte alles daran, so wenig Helligkeit wie möglich einzulassen. Fachinger durfte unter keinen Umständen bemerken, dass ihm die letzten beiden Zimmer vorenthalten wurden.
    Michael Löwe, der das Zimmer neben der versiegelten Kammer hatte, wurde ausquartiert, die Tür der des Nebenraumes angepasst und mit baugleichen Schlössern versehen – Hotten hegte ein Dutzend davon als Notreserve im Keller. Mit etwas Glück würde der Kripo-Mann dem Mummenschanz aufsitzen.
    Doch all dies waren nur kleine Schönheitsoperationen, um das Schauspiel perfekt zu machen. Die Hauptlast trug Sir Darren. Von ihm hing alles ab. Er rief einen Geist und achtete von seinem Versteck im Schrank aus darauf, dass der Spuk nicht außer Kontrolle geriet.
    Sir Darren war eine Kapazität auf dem Gebiet des Spiritismus. In seinem Leben hatte er hunderte Séancen durchgeführt, hatte immer wieder mit Erfolg die Geister der Toten gerufen, befragt und um Hilfe gebeten. Er gehörte unbestritten zu den besten seiner Zunft, und er war sich der Verantwortung bewusst, die er sich mit seinen Aktivitäten auflud.
    Man rief die Toten nicht leichtfertig.
    Man hatte sie zu achten.
    Man holte keinen Menschen aus dem Jenseits in diese Welt, um ihn dazu zu zwingen, in einem mit Bannformeln beschmierten Zimmer umher zu zappeln, kopflos und voller Qualen Möbelstücke zu verrücken und Lampen zu zerschmettern. So etwas tat man den Seelen nicht an, die sich anschickten, im Drüben eine tiefere, ewigere Ruhe zu finden. Sie standen auf einer höheren Stufe. Man spielte nicht mit ihnen und machte sich nicht über sie lächerlich.
    Aber genau das hatte man von Sir Darren verlangt. Um Schloss Falkengrund aus der kritischen Situation zu befreien, in die Dirk Fachinger es gebracht hatte, musste ein ernsthafter und ehrenwerter Spiritist die Seele eines vor Jahrhunderten verstorbenen Edelmannes bemühen und durch das Zimmer jagen, wie eine Katze mit einer zappelnden Maus spielt. Als der Geist seine Schuldigkeit getan hatte, wurde er wieder zurückgeschickt in das Reich, aus dem er kam.
    Sir Darren hatte die Macht, dies zu tun. Das Gespenst, das er zitiert hatte, war schwach.
    Aber hatte er auch das Recht dazu?
    Der Brite hatte geistige Führer im Jenseits. Seelen, zu denen er über die Jahrzehnte seines Lebens hinweg mit viel Ehrenhaftigkeit ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte.
    Er wusste, dass er mit dieser einen Tat seine Ehre aufs Spiel setzte. Es war wahrscheinlich, dass sich einige seiner Geistführer nun von ihm abwenden würden. Vielleicht sogar alle. Ein Verhalten wie dieses war nicht zu tolerieren – es verletzte jeden Anstand gegenüber den Toten.
    „Ich hätte es nicht tun sollen“, sagte er, immer wieder. „Ich war ein Idiot, mich auf die Sache einzulassen.“ Er war müde gewesen. Müde vom fruchtlosen Diskutieren. Margarete Maus hatte eine Lösung vorgeschlagen, und er hatte sie akzeptiert – obwohl er wusste, was er tat. Und im Gegensatz zu sonst, wo er keine Skrupel hatte, sein Unbehagen an seiner Kollegin auszulassen, schaffte er es jetzt nicht einmal, ihr die Schuld zu geben.
    Er hätte weise genug sein müssen.
    „Die Drohungen sind doch nur heiße Luft“, versuchte Hotten ihn zu beruhigen. „Dieses Gespenst war ganz in Ihrer Hand. Es konnte Fachinger nicht gefährlich werden, also kann es einem Mann von Ihrem Kaliber erst recht nichts anhaben.“
    Sir Darren dachte an die Zeit, die er – gelähmt vor Angst – im Innern des Möbelstücks zugebracht hatte. Er hatte sich gefühlt , als wäre er im Zimmer des teuflischen Barons gefangen. Er hatte gewusst, dass dem nicht so war. Hatte gewusst, dass er diesen Spuk kontrollieren konnte.
    Aber er hatte auch gewusst, dass er den größten Fehler seines Lebens machte.
    Er machte sich zum Feind der Geisterwelt.
    „Ich werde bezahlen“, meinte er leise. „Sie werden sich rächen.“
    Und dabei ahnte er nicht einmal, wie nahe der Tag der Rache schon war ...

    ENDE DER EPISODE
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Falkengrund Nr. 8 trägt den Titel „Exquisite Corpse“.
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