Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
rollen müssen, ohne Rücksicht auf die noch kleinen Flammen, denen er eine Sekunde lang ausgesetzt gewesen wäre, ohne Rücksicht auf den Sturz aus dem Bett, den er ohne Frage überlebt hätte.
    Nun lag er schwer und unbeweglich auf dem Rücken, das Feuer war sein Bettgenosse, und es war ebenso hellwach wie er. Es kam.
    Selbst wenn es ihm gelang, sich auf die andere Seite zu drehen, er würde der tödlichen Falle, in die sich das Bett vor wenigen Sekunden verwandelt hatte, nicht entkommen. Auf dieser Seite des Bettes war die Wand.
    Er drehte den Kopf, betrachtete die Flamme, die sich nun teilte. Viele kleine, hungrige Ungeheuer. Nicht alle kamen auf ihn zu. Manche interessierten sich gar nicht für ihn.
    Er wand sich, versuchte sich aus dem Bett zu schnellen. Unmöglich.
    Mort rückte weiter an die Wand. Er hatte nicht mehr viel Platz.
    „Elaine!“, krächzte er. „Elaaiiiiiine!“
    Hörte ihn denn niemand?
    Half ihm denn niemand?
    Was er nicht wusste: Draußen vor dem Haus auf einem rostigen Traktor, seinem Lieblingsplatz, stand Ronnie und betrachtete fasziniert den Flammenschein im Fenster. Ronnie, ein Hahn, der sich aufs Ausbüchsen und Wegrennen verstand, ein richtiger runner , wie Mort zu sagen pflegte. Manchmal, wenn Ronnie zu schnell flitzte und Mort der Rücken zu sehr wehtat, ließ er den Hahn über Nacht einfach draußen. Die einzigen wilden Tiere, die es hier gab, ein paar eigenbrötlerische Coyoten, hielten sich lieber an Myers Duck Farm drüben am Fluss. Die Entenställe dort waren schon lange nicht mehr repariert worden und bereiteten einem schlauen Präriewolf keine Probleme.
    Ronnie wusste nicht, was das flackernde Licht zu bedeuten hatte. Und er wusste nicht, dass er das Unglück noch hätte aufhalten können, wenn er ein einziges Mal lauthals gekräht hätte. Elaine erwachte immer, wenn Ronnie krähte.
    Der Hahn betrachtete das Geschehen mit stummer Neugier und badete in dem sich ausbreitenden Feuerschein. Sein Kopf ruckte irritiert hin und her, aber er krähte nicht.

3
    Um fünf Uhr und siebzehn Minuten meldete sich das Funkgerät in Officer Lyanne Marshs Wagen.
    Sie aktivierte das Gerät und hustete. Jeden Morgen kroch ein Klumpen Schleim von irgendwoher in ihren Hals hinauf, und das, obwohl sie geschworen hätte, nicht erkältet zu sein. Darauf sollte sie ihren Hausarzt mal ansprechen. Allerdings würde er nur lachen. Der alte Dr. Finchley hatte zwei Krankheiten: Erstens Schilddrüsenkrebs, zweitens die Angewohnheit, über jeden Patienten zu lachen, der sich erdreistete, ihn wegen weniger zu konsultieren.
    In diesem Moment schlich Lyanne auf der North-East 140th Street nach Osten, das Gaspedal eine weiche, angenehme Wolke unter ihrem Fußballen. Sie war auf der Suche nach einem netten dunklen Feldweg, vielleicht mit ein paar hohen Büschen, um dort etwas zu tun, worüber sie nicht sprechen wollte.
    Hier, mitten in Kansas, war es eine beinahe klare Septembernacht. Die Sterne drangen durch den sanften Weichzeichner eines Dunstschleiers, und Lyanne hatte genügend Fantasie, um sich einzubilden, am Ende der Straße zeige sich bereits das erste Glimmen des nahenden Morgens.
    Die Stimme, die plötzlich leicht verzerrt aus dem Lautsprecher knisterte, war ihr vertraut. So vertraut, dass ihr schon das erste Wort reichte, um ihren Besitzer zu identifizieren.
    „Habe ich dich geweckt?“
    „Falls ja, Marc, dann sollte ich dir dankbar sein. Immerhin sitze ich am Steuer, und die Räder rollen.“ Wie kam er auf die Idee, dass sie im Dienst schlief? Sie spürte, dass sie ein bisschen ungehalten wurde – dazu brauchte es wenig um diese Uhrzeit.
    „Du fährst gerade durch Stafford County?“, erkundigte sich Marc Henderson.
    „Noch nicht, bin aber auf dem Weg dahin, der rising sun entgegen.“
    „Pawnee County?“
    „Yupp.“
    „Kannst du mal bei der Tayben-Farm vorbeischauen? Du weißt doch, gleich hinter …“
    Er wollte mit der Beschreibung ansetzen, und Lyanne genoss es, ihn zu unterbrechen: „Schon klar. Der alte Hühner-Tayben ... Ich war vor zwei Jahren mal da. Irgendwas nicht in Ordnung, dort?“
    „Gut möglich“, sagte Marc. Man hörte, wie er mit einem Notizzettel spielte. Seine Stimme klang entschieden nervöser als sonst. Sie bemerkte es erst jetzt. „Ein Nachbar will Feuerschein gesehen haben. Und Rauch.“
    „Ein Nachbar?“ Das Wort hatte eine besondere Bedeutung in Landstrichen wie diesem. Um hier Nachbar zu sein, reichte es, im Umkreis von zehn Meilen zu wohnen. In den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher