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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei
Autoren: Martin Clauß
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Eine Silhouette.
    Ein Gespenst.
    Sir Darren hatte das Gefühl, die Zusammenhänge intuitiv zu verstehen.
    Der Hahn, der auf dem Traktor saß und nicht krähte, als das Feuer ausbrach.
    Der sich am Kühlergitter verhedderte, als er die Gefahr schließlich erkannte und den Flammen entfliehen wollte. Der so selbst ein Opfer der Hitze wurde.
    Der zu krähen begann, als es längst zu spät war.
    Aus dem Jenseits heraus, einer Dimension mit anderen Gesetzen. Tief und langsam.
    Der auferstandene Hahn. Der Phönix aus der Asche.
    Sein Weckschrei weckte nicht die Schlafenden.
    Oh nein.
    Der Weckschrei des toten Hahns weckte die Toten.
    Sir Darren prüfte in Gedanken einige Theorien des Spiritismus. So bizarr dieser Fall anmuten mochte, er erfüllte doch gewisse Kriterien für das Entstehen von Geistern. Die Schuld. Die Reue. Das Unerledigte. Vielleicht waren Geister von Vögeln gar nicht so selten, wie es schien. Vielleicht hatten die Phönix-Mythen ihren Ursprung in Geschehnissen wie diesen.
    Diese Hitze, die von dem Phönix ausging … Der Geist war noch aktiv, hochaktiv, und falls es hier noch etwas zu wecken gab, würde er es mit seinem unheimlichen Krähen wach bekommen, ganz gleich, wie tot es war.
    „Er ist stark“, meldete sich Curtis. Seine Augen waren verdreht, Speichel lief aus seinem Mund. „Er kann noch so vieles tun. Wenn wir ihm helfen. Der Schrei des Phönix – wenn wir ihn auf der ganzen Welt hörbar machen …“
    Sir Darren schüttelte sich. „So etwas ersparen wir uns lieber. Wir müssen den Geist zurückschicken. Das lässt sich bewerkstelligen. Ich benötige nur etwas Zeit.“
    „Reden Sie keinen Unsinn!“, rief Lyanne Marsh. „Es braucht meine Milch. Wenn ich ihn erst gestillt habe, wird sich alles beruhigen. Ich bin eine Mutter. Ich bin eine Mutter!“
    Curtis blickte sie aus geweiteten Augen an. „Aber er wird die Toten dieser Welt aus den Gräbern holen. Ist das nicht wundervoll?“
    Lyanne begann ihre Jacke aufzuknöpfen.
    „Ich bin von Verrückten umgeben“, knurrte Sir Darren. Wie sollte er in Anwesenheit dieser beiden vernünftig arbeiten?
    Doch im nächsten Augenblick wurde alles noch schlimmer. Zwei riesige Feuerwehrfahrzeuge rollten die Zufahrt herunter. Sie hatten ihre Signalhörner abgestellt, weil es keinen Verkehr gab, sonst hätten die drei sie längst kommen hören.
    Im Nu herrschte am Schauplatz des Brandes geschäftiges Durcheinander. Gleißende Lichtbahnen aus gewaltigen Scheinwerfern fraßen sich in die Dunkelheit. Mehr als ein Dutzend Feuerwehrleute quollen aus den Fahrzeugen und spulten das x-fach geübte Programm ab. Befehle wurden gebrüllt, Gerätschaften ausgeladen, aufgebaut, Schläuche ausgerollt. Angesichts der Tatsache, dass der Brand vorüber war, erschien Sir Darren der militärische Ernst etwas überzogen.
    Ein Feuerwehrmann kam auf die drei Personen zu.
    „Officer Marsh?“, fragte er.
    Lyanne nickte, während sie ihre blaue Bluse öffnete. Das Kleidungsstück war an zwei Stellen klatschnass – nicht unter den Armen, sondern dort, wo die Brustwarzen waren. Der Feuerwehrmann bekam Blickstarre, als das gut gefüllte Hemdchen der Polizistin zum Vorschein kam. „Es ist ein Baby“, erklärte sie. „Es möchte gestillt werden, das ist alles.“
    „Dem muss ich widersprechen“, schaltete sich Sir Darren ein. „Wir haben es mit einer beeindruckenden Manifestation eines Tiergeistes zu tun. Es ist beruhigend, Sie hier zu wissen. Wenn Sie sich einstweilen um das Feuer kümmern wollen, kann ich hier in Ruhe …“
    „Er wird die Toten ins Leben zurückrufen“, behauptete Curtis. „Der Phönix!“
    Der Firefighter hob beschwichtigend die Hand. „Bitte“, sagte er. „Gehen Sie hinüber zu Ihren Fahrzeugen. Auch Sie, Officer Marsh.“
    „Ben?“, rief einer seiner Kollegen von hinten. „Sei vorsichtig! Die Wärmekamera zeigt das stärkste Hitzenest bei euch da drüben. Es muss in dem Traktor sein.“ Die Mündungen zweier Schläuche zeigten in ihre Richtung.
    „Gehen wir“, drängte Ben.
    Da riss Lyanne die Waffe hoch und richtete sie auf den Feuerwehrmann. „Nein“, zischte sie. „Ich gehe nicht. Ich lasse dieses Baby nicht im Stich.“
    „Officer“, schnappte Ben. „Bitte … beruhigen Sie …“
    Sir Darren wich einen Schritt zurück. Er tat es eigentlich nur, um aus der Schussbahn zu gelangen, doch damit gab er Curtis den Weg frei. Dem fanatischen Curtis, der dem Geist des Tieres vollkommen offenstand. Curtis machte einen Satz und prallte mit der
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