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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei
Autoren: Martin Clauß
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sein. Dabei legte er eine gewisse Hast an den Tag.
    Lyanne wusste mit der Situation nichts anzufangen. Anstatt von dem Anblick der abgebrannten Farm gefesselt zu werden, schienen die beiden hier etwas Eiliges zu erledigen zu haben.
    Nur was?
    Erst als der Hagere dem Fahrer mühsam aus dem Fahrzeug geholfen hatte, nahmen sich die beiden Männer einen Moment Zeit, um das Gelände zu überblicken. Der Fahrer, der trotz seiner schlechten Beweglichkeit viel jünger aussah als der Mann, der ihn führte, hob den Arm und zeigte in Richtung des Stalls. Oder vielleicht auf einen Punkt links neben dem Stall.
    Der alte Traktor?
    Die beiden fassten sich an die Ohren. Sie hörten diesen Ton also auch.
    Lyanne wollte eben loslaufen und sich zu erkennen geben, da fing sie im Augenwinkel eine Bewegung auf.
    Rechts von ihr kam etwas aus den Trümmern.
    Für ein Huhn war es viel zu groß.
    Mitten aus der Glut der Brandruine stapfte ein schwarzer Körper auf sie zu, aufrecht und mit eindeutig menschlichen Formen. Funken fielen davon ab. Es war kein mit Brandwunden übersäter Mensch – dieses Ding hatte keine Augen, keine Nase, keine Ohren mehr. Ein Unterarm fehlte ihm.
    „Lord in Heaven!“, brüllte die Polizistin aus voller Kehle. Sie riss ihre Sig Sauer hoch und richtete sie auf die Kreatur. Vier, fünf lange Sekunden zögerte sie. Falls es doch ein Schwerverletzter war, der die Flammenhölle wie durch ein Wunder überlebt hatte, vielleicht, weil er sich in den Keller geflüchtet hatte oder … oder …
    „Nein“, sagte Lyanne laut. Ihre Worte waren an das Ding gerichtet. „Nein, du bist kein Überlebender. Du bist ein Toter …“
    Mündungsfeuer flammte auf. Das Projektil schlug in die Seite der Kreatur ein und fetzte ein faustgroßes Stück heraus. Das Wesen taumelte nur kurz und beschleunigte dann seine Schritte. Obwohl Lyanne gesehen hatte, wie schnell die Hühner rennen konnten, versäumte sie es, konsequent ihre Schlüsse daraus zu ziehen. Sie vermochte sich einfach nicht vorzustellen, dass dieses Monstrum, dieser Zombie mehr tun konnte, als schlafwandlerisch-zeitlupenhaft auf sie zuzuwanken.
    Aber er konnte.
    Er stürmte auf sie zu. Oder nicht ganz auf sie zu, denn – Gott, sie begriff das erst jetzt – er wollte gar nichts von ihr, sondern suchte nur einen Weg fort von hier. Und was machte sie dummes Ding? Sie stellte sich ihm auch noch in den Weg mit ihrer lächerlichen Waffe, die ihm nicht viel anhaben konnte, anstatt ihn …
    Sie drückte ein zweites und drittes Mal ab, dann prallte er gegen sie, und er stank nach Ruß und fühlte sich hart wie Holzkohle an und war heiß und tödlich.
    Der alte Tayben?
    „Hilfeeee“, kreischte sie, duckte sich weg, und er stolperte über sie, begrub sie unter sich.
    Ihre Haare knisterten.

5
    „Es war großartig, einfach groß-ar-tig!“
    Der junge Mann sagte es zum zehnten Mal, mindestens, und jedes Mal hieb er dabei auf das Lenkrad des Leihwagens. Der ältere Mann auf dem Beifahrersitz hatte die Hände in den Schoß gelegt, um sie ruhig zu halten, doch seine Finger zuckten längst unkontrolliert.
    Sir Edgar Darren war müde und gereizt, und er war es leid, von dieser Plaudertasche wachgehalten zu werden. Die ganze Situation ging ihm gegen den Strich. Da hatte er sich schon beschwatzen lassen, einem absolut drittklassigen Spiritistenplausch in einem nach Kuhmist stinkenden 15.000-Seelen-Flecken wie Great Bend, Kansas, beizuwohnen, und das, nur weil er gerade in der Nähe weilte. In der Nähe – das bedeutete, er hatte gestern und vorgestern zwei Vorträge auf einem internationalen Kongress in Chicago gehalten. Man bedenke: Chicago – das lag immerhin 750 Meilen entfernt von hier. Dort lief er einem alten Kollegen aus England über den Weg, der ihn so lange bekniete, bis er einwilligte, in Great Bend, wohin es den Kollegen aus wundersamen Gründen verschlagen hatte, noch einmal ein paar Worte zu sprechen. Sir Darren hatte Schlimmes befürchtet, und das war noch eine optimistische Einschätzung. Es wurde unsagbar schlimm . Die Zuhörerschaft hatte aus zwei Dutzend älteren Damen bestanden, die zusammen schätzungsweise hundert Geister gesehen und fünfhundert Theorien darüber entwickelt hatten.
    Sir Darren hatte jede Sekunde davon verabscheut, und wie immer, wenn er sich zu etwas hatte bewegen lassen, das ihm eigentlich gegen den Strich ging, hasste er sich selbst am meisten dafür.
    Nun waren sie unterwegs zum nächstgelegenen Flughafen, dem Wichita Airport, von wo aus sie
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