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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei
Autoren: Martin Clauß
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Essigessenz.
    Am ersten Tag nach Ablauf des Mutterschutzes saß sie wieder in ihrem schwarz-weiß-schwarzen Polizeiwagen oder hinter ihrem kleinen Schreibtisch im Präsidium. David, der winzige, rote David, der viel lauter und häufiger schrie als seine Schwester, war bei Wendy und Phil. Nicht zu vergessen, bei Phils Freunden. Nichts hatte sich geändert.
    Doch.
    Es war schlimmer geworden.
    Lyanne hatte sich geweigert, ihren Sohn mit acht Wochen abzustillen. Diese eine Sache wollte sie sich nicht nehmen lassen. Sie hatte gelesen, wie wichtig es war, Kinder mindestens ein halbes Jahr lang zu stillen, und mehr noch als auf einen Artikel in einer Zeitschrift vertraute sie auf ihr eigenes Gefühl. Ihr Herz brüllte, dass sie ihn stillen wollte.
    Musste.
    Würde.
    Muttermilch war die Mutter. Wenn die Mutter schon arbeiten ging, musste wenigstens ihre Milch beim Kleinen sein. Er würde seine Mutter nicht immer spüren, sehen, hören können, aber zumindest würde er sie riechen und schmecken. Und war riechen und schmecken für einen Säugling nicht ohnehin viel wichtiger als alles andere?
    Dazu kam, dass Lyannes Milchfluss bei David übermenschliche Dimensionen annahm. Ihre Brüste waren riesig geworden, seit der kleine Schreihals auf der Welt war, sie spannten wie zwei Luftballone, und wenn man sie auch nur ein wenig drückte, spritzten sie Milch in die Welt.
    Phil hatte ihr vorgeschlagen, sich für Playboy’s Big Boobs Magazine ablichten zu lassen, „solange deine Brüste solche Phänomene sind“. Er hatte schon drei Flaschen Miller lite („Great taste – less filling“) intus, als er das von sich gab, außerdem verwendete er die Wörter Brüste und Phänomene , nicht etwa Titten und Hämmer , und er sagte es rücksichtsvollerweise nicht vor seinen Freunden, sondern unter vier Augen in der Küche vor dem Kühlschrank beim Nachlegen der Bierflaschen. Also vergab sie ihm. Und betrachtete sich im Badezimmerspiegel ein wenig länger als sonst. Vor dem Duschen.
    Und nach dem Duschen noch einmal.
    Von nun an hatte Lyanne ihre Milchpumpe immer dabei. Die Pumpe und eine gute, richtig teure Kühlbox. Drei oder vier Mal am Tag pumpte sie sich die Milch ab – sie nannte es melken , vermutlich, weil sie mit Humor überspielen wollte, wie peinlich es ihr war, ihre Kolleginnen im Präsidium zu informieren, wenn sie wieder einmal in Zimmer 4 verschwand, dem kleinsten der Besprechungsräume, den niemand benutzen wollte, weil ihn die Putzfrau aus unerfindlichen Gründen übersprang.
    Anfangs hatte sie sich sogar auf der Toilette gemolken – ein scheußliches Gefühl, aber wenn sie an David dachte, konnte sie es ertragen. Ihre Kolleginnen verzogen das Gesicht, wenn sie dieses Wort verwendete, dieses Kuh-Wort, und sie bemitleideten sie, wenn sie mit dem gefüllten Kunststoffbecher von der Toilette kam, als brächte sie eine trübe Urinprobe mit. Eines Tages, als Lyanne mit einem Stöhnen vom Schreibtisch aufstand und in Richtung WC ging, räusperte sich Betty Narles und führte sie ins Zimmer 4.
    „Das ist lieb von dir, Betty“, presste Lyanne hervor. „Aber ich muss dringend mal für kleine Mädchen.“
    Es war alles schrecklich unangenehm, aber sie tat es gerne für ihren Stern und Schatz und Krümel David.
    Richtig lästig war es unterwegs. Glücklicherweise fuhr sie alleine Streife – in den meisten ländlichen Gebieten war das üblich. Hauptsächlich in den größeren Städten fuhr man paarweise Streife, aber so beruhigend das vielleicht sein mochte, zurzeit wäre es das Letzte gewesen, was Lyanne sich gewünscht hätte. Nicht auszudenken, wenn da einer dieser donut-gemästeten Officer auf dem Beifahrersitz gesessen und so getan hätte, als würde er die Augen abwenden, während sie zwischen sich und dem Lenkrad ihre big boobs knetete und mit der sperrigen Milchpumpe versehentlich Hupe oder Scheibenwischer betätigte …
    Wenn ihre Brüste zu sehr kribbelten und schmerzten, lenkte sie den Wagen etwas abseits der Straße, meistens in ein Wiesenstück oder auf einen Feldweg, seltener auf einen Parkplatz (weil man da nie wusste, wer plötzlich hereingefahren kam), blickte sich zwei Minuten lang mit roten Ohren und pochendem Herzen um, knöpfte ihre Bluse auf, hatte jedes Mal wieder das verfluchte und unfaire Gefühl, etwas Schmutziges oder Verbotenes zu tun … und legte die Pumpe an.
    Sie bekam einfach keine Routine darin, so oft sie es auch tat. Wenn sich das Funkgerät meldete, riss sie die Pumpe so ungeschickt weg, dass
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