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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 4 Vor dem Hahnenschrei
Autoren: Martin Clauß
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Vorstädten von Atlanta, Georgia, wo Lyanne aufgewachsen war, konnte man seine Nachbarn rülpsen hören.
    Lyanne schnaubte. „Hast du die Feuerwehr schon verständigt? Ich verstehe nicht, wie er in dieser Finsternis Rauch gesehen haben will. Feuer, ja, aber Rauch?“
    „Eben. Deshalb zögere ich noch damit, die roten Jungs aus den Federn zu trommeln. Und dazu kommt, dass der Anrufer der alte Sitchley war. Er ist über neunzig.“
    „Er hat wohl schlecht geträumt.“ Und sie dachte: Nur alte Leute hier draußen. Ein riesiges Seniorenheim ist dieser Landstrich.
    „Ich dachte, wenn du nur ein paar Minuten entfernt bist …“
    „Verdammt, haben sie dir während der Ausbildung nicht beigebracht, dass es bei Feuern auf jede Sekunde ankommt?“
    „Natürlich“, druckste er herum. Jetzt begriff Lyanne endlich, warum er klang, als wippe er von einer Hinterbacke auf die andere und hätte ein abgeknabbertes Stück Fingernagel zwischen den Zähnen. „Der alte Sitchley hat vor in den letzten Wochen dreimal angerufen, weil er ein UFO gesehen haben wollte. Und jetzt Rauch. Mein sechster Sinn sagt mir, das ist alles nur eine … eine Seifenblase. Es fühlt sich einfach nicht an, als hätte der Alte wirklich was gesehen, verstehst du?“ Am Ende wurde er laut, kämpfte regelrecht um ein Zeichen der Zustimmung von ihrer Seite.
    Lyanne nickte, für ihn unsichtbar. „Warst schon immer ein Gefühlsmensch“, bemerkte sie.
    Das war er wirklich. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hatte sie sich gewünscht, er wäre nicht ganz so einfühlsam und intuitiv gewesen. Vor sieben Jahren – o Gott, lag das wirklich schon so lange zurück? – hatte er ihr einmal den Hof gemacht, da war sie eben erst nach Kansas gezogen, schleppte ein fürchterliches Gefühl der Entwurzelung mit sich herum und hatte ein wenig Aufmerksamkeit bitter nötig. Und zunächst sah es auch sehr danach aus, als würde sie eine Menge Zuwendung bekommen. Noch ehe die Sache mit Marc Henderson richtig in Schwung kam, lernte sie zusätzlich Philipp Marsh kennen. Irgendetwas an ihm faszinierte sie – sie hatte bis zum heutigen Tag nicht herausgefunden, was es war. „Weißt du“, hatte sie Marc einst gestanden, als er sie zum wiederholten Mal zum Dinner einlud, „da gibt es einen Mann, der sich sehr um mich bemüht.“ Es war sehr aufrichtig von ihr, Philipp Marc gegenüber zu erwähnen. Und doch hatte sie im Grunde gelogen. Philipp Marsh bemühte sich nicht um sie. Er war einfach ab und zu in ihrer Nähe, lebte sein Leben und schien darauf zu warten, dass sie sich in ihn verliebte. Und Lyanne hatte mit der Bemerkung keine besonderen Absichten verbunden, höchstens die, Marcs männlichen Stolz anzuheizen. Sie gestand es sich nicht gerne ein, aber damals war sie verdammt scharf darauf gewesen, von zwei Männern angehimmelt zu werden. Einmal, ein einziges Mal zwischen Wiege und Grab, wollte sie so etwas erleben. Wollte erfahren, dass sie eine Frau war, um die zu streiten es sich lohnte. Wollte sich beweisen, dass es so etwas nicht nur im Film gab.
    Aber Marc … tja, er war eben sehr einfühlsam. Wollte sie nicht in einen emotionalen Konflikt stürzen. Sich nicht aufdrängen. „So ist das also“, hatte er gesagt, nur diese vier Wörter, und damit war die Sache für ihn erledigt gewesen. Von diesem Moment an hatte er nie wieder auch nur das geringste Interesse an Lyanne gezeigt. Nicht einmal verbittert oder auch nur enttäuscht hatte er ausgesehen. Er hatte einfach eingesehen, dass da ein anderer war, und fertig. Ein Jahr später war Lyanne mit Philipp verheiratet. Und als der Hochzeitsmarsch ertönte, wippte in ihrem Bauch wahrscheinlich ein drei Inch langes Etwas mit den Zehen, denn damals trug sie längst Philipps Kind unter dem Herzen.
    Warum hast du nicht um mich gekämpft, Marc , dachte sie später oft und lag mit geballten Fäusten im Bett, während Phil neben ihr seinen todesähnlichen Schlaf schlief. Verflucht, Marc, warum hast du’s nicht getan? Vielleicht hättest du mich vor der größten Dummheit meines Lebens bewahren können: davor, diesen … diesen … Säufer zu heiraten.
    Philipp Marsh war kein schlechter Mensch. Das bestätigten alle. Oh nein, er hatte etwas, das man einfach lieben musste. Etwas Entspanntes, Abgehobenes, als ob man all die Striche, die einem das Schicksal durch die Rechnung machte, einfach mit einem Lächeln wegradieren könnte. Aber er soff wie ein Loch. Jeden Abend saßen seine trinkfesten Freunde bei Marshs in der Wohnstube
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