Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 17 Madoka

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 17 Madoka

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 17 Madoka
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
Beruf, der sie interessiert hätte. Sie war zu intelligent, als dass sich andere in ihrer Gesellschaft wohlfühlen konnten, und doch hatte sie nicht die Intelligenz, die sie bei ihrer Geburt gehabt hatte. Das machte sie orientierungslos, unsicher. Sie wäre gerne eines von beiden gewesen – ein durchschnittlicher Mensch oder ein echtes intellektuelles Monstrum, das die Geschichte der Welt auf den Kopf stellte.
    Was nutzte es, superklug zu sein und dazu noch einen Schutzengel zu haben, wenn man damit größere Dummheiten beging als andere Leute?
    Wahrscheinlich war das, was sie jetzt tat, auch eine Dummheit.
    Sie holte tief Luft und tauchte vollkommen in die tiefe Wanne.
    Öffnete die Augen.
    Das Wasser war klar und erfrischend kühl, ihre langen Haare schwebten vor ihr umher wie Seetang.
    Sie stieß einen Teil ihres Atems aus und beobachtete die aufwirbelnden Blasen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl.
    Nie mehr würde sie Luft in ihre Lungen saugen. Nie mehr. Was jetzt noch in ihr war, sollte der letzte Rest sein.
    Ihre rechte Hand kroch an der glatten Seitenwand empor, erreichte den Fön. Sie umfasste ihn und drückte den Knopf, schaltete ihn ein. Das Rauschen drang wie aus weiter Ferne zu ihr durch, wie eine Brandung.
    Wann würde der Strom überspringen? Erst, wenn sie das Gerät ins Wasser fallen ließ? Offenbar war ihre Hand nicht nass genug.
    Ihre Finger lockerten sich …
    Etwas zuckte in ihrem Inneren, und das Mädchen wurde nach oben geschleudert, als hätte sie die Schwanzflosse eines Wals getroffen! Sie flog geradezu aus der Wanne hinaus, schlug gegen die Wand und die Decke des Raumes und fiel auf den Boden herab. Sie schrie auf, als sie sich Knie, Ellbogen und andere Körperteile auf den harten Fliesen anschlug. Schon traf sie der nächste Hieb und katapultierte sie gegen die Tür, die nach außen aufflog. Mit Tränen in den Augen und wimmernd vor Schmerz blieb sie in dem trockenen Vorraum liegen, Arme und Beine angezogen, den Kopf zwischen den aufgeschlagenen Ellbogen versteckt, aus Angst, ein weiterer Hieb könnte sie treffen.
    Schlimmer noch als ihre Schmerzen war das, was sie in dem Sekundenbruchteil gesehen hatte, als sie durch die Luft geflogen war:
    In dem Badewasser unter ihr hatte sich etwas befunden. Etwas war dort zurückgeblieben, und sie wusste auch, wo es herkam. Es hatte sich bis eben noch in ihrem Körper aufgehalten und diesen nun verlassen. Es war ein graues Etwas, schwer zu beschreiben, wie der von Muscheln und Algen bedeckte Körper eines uralten Fisches. Es war, als wäre der Fön nicht sofort ins Wasser gefallen, als sie ihn losließ. Er hatte noch einen Augenblick in der Luft verharrt, so lange, bis der zweite Hieb der unsichtbaren Schwanzflosse sie in den sicheren, trockenen Vorraum warf. Dann erst war Strom in das Badewasser geflossen. Madoka hatte den Blitz durch die geschlossenen Lider gesehen. Er währte nur einen Moment, ehe die Sicherung durchbrannte. Das gesamte Badezimmer war ein einziges elektrisches Flirren gewesen, und jetzt drangen Dampfschwaden von dem erhitzten Wasser durch die geöffnete Tür heraus.
    Hinter ihren Schmerzen gab es noch eine weitere Empfindung.
    Sie spürte, dass das Wesen gestorben war.
    Eine Präsenz, die sie ihr Leben lang gefühlt hatte, war verschwunden. Auch der Geruch war nicht mehr da.
    Ihr Schutzengel hatte sich für sie geopfert.
    Nein.
    Sie hatte ihn getötet.
    Sie bekam kaum mit, wie ihr Vater hereingestolpert kam, wie er sie umarmte, sie zudeckte, sie ins Wohnzimmer trug und auf die Couch bettete, wie später der Notarzt eintraf und sie versorgte.
    Sie spürte ihre Schmerzen nicht, fühlte sich nur unendlich alleine. Sie war am Leben, aber zum ersten Mal spürte sie die schützende Macht nicht mehr in sich.
    Als man sie auf einer wackligen fahrbaren Liege durch den Vorgarten fuhr und in den Krankenwagen lud, begriff sie allmählich, was geschehen war.
    Dieses Wesen in ihr schützte nicht sie, sondern ihr Leben. Es bewahrte sie vor keiner der Dummheiten, die ein Mensch begehen konnte – außer, sie brachte sich damit in Lebensgefahr. Doch das Wesen war nicht allmächtig. Es gab einen sicheren Weg, es zu vernichten.
    Durch einen Selbstmordversuch wurde es getötet.
    Denn dann wurde das, was zu schützen war, und das, wovor es geschützt werden musste, eins …
    Und das Wesen zerbrach.

5
    Deutschland, 2004
    Madoka erwachte an einem Geräusch.
    Als sie die Augen aufschlug, herrschte im Krankenzimmer dämmriges Zwielicht. Eine matte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher